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gegen wird der Gegensatz von grundlegender Eingebung und durch-

führender Ausarbeitung in der Kunst mehr als in der Wissenschaft

im Verhältnisse der Meister zu ihren S c h u l e n u n d G e f o l g -

s c h a f t e n offenbar. Die größten Meister geben nämlich in ihren

Werken nicht nur Eingebung und Ausgestaltung, sondern zugleich

den S t i l des Kunstwerkes an, und dieser wird von den weniger

eingebungskräftigen Künstlern übernommen.

Was ferner in der Wissenschaft der durchgängig widerspruchslose

Begriffszusammenhang, die S y s t e m a t i k , das ist in der Kunst

die durchgängige Ebenbildlichkeit der Gestalten, der S t i l . Und

was im besonderen in der Wissenschaft das S c h l u ß f o l g e r n d e

(der Syllogismus), das ist in der Kunst eine Erscheinung, die wir

G e s t a l t e n f o l g e r u n g (gestalthafte Syllogistik) nennen kön-

nen. Wir verstehen darunter die innere Forderung einer Gestalt,

noch weiter in Unter- und Nebengestalten fortgebildet zu werden.

Der S c h l u ß f o l g e r u n g (Konsequenz) entspricht also, wie

wir es nennen können, die F o l g e g e s t a l t oder, allgemeiner

gesagt, die A u s g e s t a l t u n g . — Weiter entspricht dem Be-

j a h e n d e n im Urteil das V e r b i n d e n d e , allgemeiner gesagt,

das Zusammenpassende, Verbindungsfähige / der Gestaltungen

(was z. B. in der gelungenen „Komposition“ eines Gemäldes, eines

Bauwerkes hervortritt). Dem V e r n e i n e n d e n im Urteile ent-

spricht das U n v e r e i n b a r e der Gestalten, das Ausschließende,

Verbindungswidrige, Nichtzusammenpassende derselben. Was so-

dann im logischen Sinne V o r a u s s e t z u n g (Prämisse), ist im

künstlerischen Sinne A n f a n g s g e s t a l t oder allgemein gefaßt,

U m r i ß , E n t w u r f , Skizze. Die Anfangsgestalt entspricht zu-

gleich dem, was der G r u n d g e d a n k e in der Wissenschaft ist,

der ja ebenfalls erst zu einem Denkgebäude entwickelt werden soll.

Was im Denken E i n t e i l u n g u n d V e r f a h r e n ist, dem ent-

spricht, namentlich in den bildenden Künsten, die G r u p p i e -

r u n g u n d A n o r d n u n g des Stoffes, weil in beiden sowohl

Überblick, Zusammenfassung der Möglichkeiten und Ausscheidung

des nicht Inbetrachtkommenden, der Unmöglichkeiten, liegt. Ferner

liegt im Fortgange des untergliedernden Denkens das z e r l e -

g e n d e o d e r a n a l y t i s c h e V e r f a h r e n , im Wiederauf-

bau der Glieder zum Ganzen das s y n t h e t i s c h e V e r f a h -

r e n , genau wie in der Kunst, wo der Fortgang von der Gesamt-