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In diesem Sinne gilt gegen Hegel: daß der Gedanke auch der Er-

bauung diene, denn er klärt, fördert und vertieft das Gemütsleben

und stellt die Übereinstimmungen oder Widersprüche mit den

andern Geistesinhalten fest.

Eine andere, verwandte Frage ist, welche Bedeutung das Wissen

für die Gemütsentwicklung habe. Man wird z. B. nicht leugnen,

daß die atomistische Auffassung der Gesellschaft und namentlich der

Wirtschaft (Eigennutz!) Folgerungen für das Gemütsleben habe

und ebenso die atomistische Auffassung der Natur, sofern sie dieser

das Leben abspricht, sie zum Mechanismus macht und so den

Atheismus herbeiführt. Hier zeigt sich wieder gegen Hegel: indem

die Wissenschaft belehrt, erbaut sie zugleich oder zerstört sie bis-

herige Erbauung. Gezweiung und Vergegenständlichung, Liebe und

Wissen wirken zusammen.

Aus dem Stufenwerte des Wissens in der Ausgliederungsordnung

wird einerseits die hohe Stellung des Wissens, andrerseits auch jene

eigentümliche Erscheinung verständlich, die dem Rationalismus

niemals verständlich werden kann: die eigentümliche L e e r h e i t ,

zu welcher das begriffliche Wissen, und selbst ein solches, das hohe

Einsichten vermittelt, hinneigt. Der Grund ist, daß das Wissen nicht

die höchste Stufe in unserem Geiste einnimmt, nicht die innerste

Mitte des Lebens bildet. / Uber ihm steht das Gezweiungsbewußt-

sein, aus dem allein Liebe und Innigkeit hervorgehen können, und

noch höher steht das übersinnliche Bewußtsein, aus dem allein

neues Leben in alle unteren Stufen einströmen und der innere

Herzensfrieden kommen kann. Dieses Einströmen von oben äußert

sich in der Tiefe der Eingebung, die echtes Leben, echte Fülle in sich

hat. Je mehr daher das verarbeitende Denken auf schauendem Den-

ken beruht, umso weniger wird sich jene Ödnis und Leere fühlbar

machen. Dann wird aber auch das Wissen von den bloßen Außen-

dingen und dem mehr formalen Verständnis des geistigen Lebens

immer mehr zur übersinnlichen Welt hingetrieben und der Er-

kenntnis der übersinnlichen Wesenheiten und Bestimmungen selbst

nachzutrachten sich aufschwingen.

Der Naturalismus in der Kunst und der Utilitarismus im Handeln entsprechen

der Leere in der Wissenschaft

1

.

1

Vgl. unten S. 93.

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*