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1.
Jede der beiden Wirklichkeiten, die geistige wie die körper-
liche, bleibt auf ihrer Ebene und wirkt auf ihrer Ebene; da-
d u r c h w i r d d i e b e g r i f f l i c h v e r l a n g t e v e r h ä l t -
n i s m ä ß i g e S e l b s t ä n d i g k e i t d e s G e i s t e s w i e d e s
L e i b e s g e w a h r t . Einseitiger Spiritualismus ebenso wie ein-
seitiger Materialismus werden vermieden. Daher werden z. B. bei
geistigen und körperlichen Krankheiten die verhältnismäßig selb-
ständigen Quellen im Geiste wie im Körper anerkannt.
2.
Es bedarf keines Überganges zwischen Leib und Geist, e i n e n
s o l c h e n Ü b e r g a n g g i b t e s n i c h t , wie von früher her
erinnerlich
1
. Hierin sehen wir einen besonderen Vorzug des Be-
griffes der Gezweiung höherer Ordnung. Jede andere Lehre muß
einen Übergang suchen, der aber nicht aufzufinden ist. Daß es einen
solchen nicht geben könne und daß trotzdem die Verbindung
stattfindet, gerade das muß eine richtige Erklärung beweisen.
3.
An die Stelle des Überganges von Geist zu Leib tritt ein Vor-
rang des Geistes vor dem Leibe. Dieser Vorrang erklärt sowohl die
verhältnismäßige Selbständigkeit beider Ebenen wie auch die grund-
sätzliche Herrschaftsstellung und Freiheit des Geistes, selbst dem
Leibe gegenüber. Er erklärt auch, warum die Freiheit des Geistes
gegenüber dem Leibe so oft keine unvermittelte, sondern nur eine
vermittelte ist. Überall, wo Vor- / rang und nicht unmittelbare
Schöpfung ist, steht es ja so. Sogar auf dem Gebiete des Denkens
selbst. Ein neuer Gedanke kann nicht sofort Fuß fassen, er muß
erst das alte, ihm widersprechende Gedankensystem umgebildet
haben. Der Mensch muß dann, wie man sagt, umdenken. So muß
sich auch der Geist erst, um die Bedingungen, die ihm sein leib-
liches Leben darbietet, umzugestalten, gleichsam u m 1 e i b e n.
Diese Umleibung ist in der Tat eine Grundtatsache des Lebens. Die
Heilung Geisteskranker, die Ausbildung und Übung der Sinne, die
Übung des Körpers überhaupt (Leibesübungen), die Umbildung
des Leibes in einem Stufengange asketischer Übungen — das sind
grundsätzliche Beispiele dafür.
4.
Auch die G r u n d t a t s a c h e , d a ß e s v e r s c h i e d e n e
M e n s c h e n s c h l ä g e g i b t (Rassen), wird durch Gezweiung
höherer Ordnung erklärlich, wenn wir bedenken, daß sich das Ge-
1
Siehe oben S. 103.