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erkenntnistheoretischer Selbstbesinnung beruhenden Zusammen-

hang von Wahrheiten, in welchem auf die Theorie des Menschen die

Einzeltheorien der gesellschaftlichen Wirklichkeit sich aufbauen,

diese aber in einer wahren, fortschreitenden Geschichtswissenschaft

angewandt werden, um immer Mehreres von der tatsächlichen . . .

Wirklichkeit zu erklären. In d i e s e m Z u s a m m e n h a n g e

v o n W a h r h e i t e n w i r d d i e B e z i e h u n g z w i s c h e n

T a t s a c h e , G e s e t z u n d R e g e l v e r m i t t e l s t d e r

S e l b s t b e s i n n u n g e r k a n n t “

1

Freilich nicht mittels einer

einheitlichen Formel oder eines Prinzips; denn einem solchen Er-

gebnisse einer allgemeinen Theorie des Geschichtsverlaufs könne sich

die Wissenschaft nur durch Handhabung einer Mehrheit von Er-

klärungsgründen annähern (ebenda).

Wir sehen also, daß Dilthey seine technische Umformung des ent-

wicklungsgeschichtlichen Problems wesentlich nur auf die erkennt-

nistheoretische Selbstbesinnung stützt. Es bleibt daher zu untersu-

chen, wie weit diese erkenntnistheoretische Auffassung jene prak-

tische Umformung tatsächlich bedingt. Wir werden in dieser Rück-

sicht Dilthey gegenüber folgende Thesen zu erweisen haben:

daß jede positive Erfassung des soziologischen Problems sowohl

seiner dynamischen wie statischen Seite nach notwendig darauf hin-

ausläuft, die gesellschaftliche Wirklichkeit in der besonderen Art

ihres Gesamtzusammenhanges mittels eines letzten Prinzips zu ver-

deutlichen und

daß sonach die erkenntnistheoretische ebenso wie die biologische,

ökonomisch-dialektische und die andern derartigen Auffassungen

solche einfachste Grundauffassungen sind, welche an sich, aus sich

selbst heraus, niemals jene technische Umformung des Problems be-

dingen können. Die erkenntnistheoretische Auffassung kann näm-

lich entweder b l o ß eine logische Reform betreffen, dann ist sie

technisch wirkungslos, oder aber gleichzeitig eine Reform der inne-

ren Gliederung des Stoffes bedingen; diese würde mithin bloß eine

andere Gliederung der Teilinhalte betreffen. ( D a r u m handelt es

sich aber bei Diltheys technischer Umformung des Problems nicht);

niemals aber wird sie im Hinblick auf das Problem des gesellschaft-

1

Wilhelm Dilthey: Einführung in die Geisteswissenschaft, Bd 1, Leipzig 1883,

S. 119 (im Original nicht gesperrt).