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festhalten. Wenn man das nicht vermag, wenn man den Gedanken-
gang unterbricht, etwas „fallen läßt“, „vergißt“, in „Zerstreuung“
gerät und dadurch das Frühere im Gegenwärtigen n i c h t m i t -
d e n k t oder, anders gesagt, die Einerleiheit des Gedachten nicht
festhält, dafür dann anderes (z. B. „andere Bedeutungen desselben
Wortes“ oder „ähnliche Begriffe“) unterschiebt — dann entstehen
die Fehler im Schließen, der Irrtum.
Beharrliches Ausgliedern, Actus purus, ist aber auf allen Stufen
vorhanden und unerläßlich. Ebenso wie das folgerichtige Denken
Actus purus ist, ebenso ist es das vollkommene künstlerische Gestal-
ten, das eine Eingebung und ihre Zerlegung in Untergestaltungen le-
bendig festhält; ebenso ist es das richtige Handeln, welches weder
die Ziele wechseln, noch die Kette der Aufeinanderfolge von Mitteln
verlassen darf. („Den zweiten Schritt vor dem ersten machen“ ist
dasselbe, was der logische Schlußfehler in der Schlußkette ist.)
Dagegen findet sich Gleiches nicht bei der sinnlichen Empfindung.
Die sinnliche Empfindung kann an sich selbst nicht zum Actus
purus gesteigert werden. Ja sogar ihre Auffassung ist schon ein Er-
gebnis der Durchdringung oder Formung mittelst der höheren gei-
stigen Tätigkeiten (wie in früherem Zusammenhange gezeigt
wurde.)
Als eine allgemeine, aber abgeleitete Erscheinung, die daher kein
ursprünglicher Teilinhalt ist, ist zu betrachten, was man / Übung,
Gewohnheit, Stärkung, Ausbildung nennt. Hier handelt es sich
nämlich um Erscheinungen, die bei wiederholtem Setzen auftreten.
Daß wiederholtes Setzen die Ausgliederungskraft stärkt und damit
auch die Formen derselben: Aufmerksamkeit, Sammlung, Versen-
kung; daß ferner wiederholtes Erinnern die Gedächtniskraft aller
Stufen stärkt; das sind durchgängige Grundtatsachen des Geistes-
lebens, welche in der Assoziationspsychologie viel beachtet, aber
insofern mißbraucht wurden, als man in ihnen fälschlich Annähe-
rungen an das Mechanische sah, und die namentlich auch in der Er-
ziehungskunst bekannt sind. Für die Erkenntnis der Stellung der
Erscheinungen „Gewohnheit“, „Übung“ usw. in der Ausgliede-
rungsordnung genügt die Feststellung, daß es sich dabei um eine
bestimmte Eigenschaft der Setzungstätigkeit, also um etwas Abgelei-
tetes, nicht um eine neue Grunderscheinung des Geistes handelt.