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damit das Wissen dar als: Sein-enthaltendes Sein. Es ist allerdings
von zweiter Ordnung, sofern nämlich das Vorsein ebenfalls Sein-
enthaltendes Sein ist, aber von erster, schöpferischer Ordnung
1
.
Das Wissen erweist sich auch damit als eine besonders ausgezeich-
nete Geistesstufe.
Aber diese Bestimmung „Sein-enthaltendes Sein“ darf dem Wis-
sen nicht allein zukommen, da es die Wirklichkeit noch nicht voll
erreicht. Wie geschieht das noch auf andere Weise? Das ist die Frage
der Ableitung der nächsten Stufe.
2.
Die Stufe der Kunst
Soll eine nächste Stufe des Geistes möglich sein, dann kann sie
nur in einer Rück- V e r u n m i t t e l b a r u n g bestehen, da der
Geist im verarbeitenden / Wissen schon an die Grenze der Ver-
mittelbarung gegangen ist. Und das finden wir tatsächlich im Wesen
der Kunst vor. Kunst ist, wie sich früher ergab, die Erfassung der
Eingebung nicht als Gegenstand, sondern als Gestalt. Hierin hegt
ein Eigentümliches: In der Gestaltung des Eingegebenen v e r -
e i n e r l e i t s i c h d e r G e s t a l t e n d e w i e d e r m i t d e m
G e s t a l t e t e n . Daher das Schlafwandlerische nicht nur des ur-
sprünglichen, sondern auch zum Teil noch des ausgestaltenden,
untergliedernden Kunstschaffens; ebenso wie des Kunstgenießens,
das ebenfalls in jene Einerleiheit zurückführt
2
.
In der Kunst wird ferner jenes Sein, auf welches das Wissen nur
ideell, als auf den Gegenstand, hindeutet, notwendig auch sinnlich
dargestellt
3
. Ist das Wissen Sein-enthaltendes Sein, so gilt hier:
K u n s t o d e r G e s t a l t u n g i s t z u m S e i n s i c h a u s -
g e b e n d e s S e i n . In diesem „Sich-Ausgeben“ liegt eine reelle
Versinnlichung, weil G e s t a l t der Sinnlichkeit irgendwie stets
bedarf. In der Kunst ist ein Zeugendes, anderes Sein Hervorbrin-
gendes. Enthält der Begriff den Gegenstand als i d e e l l e s Sein,
aber grundsätzlich vom Wissenden geschieden (weil es eben das
Wesen des Gedankens ist, einen Gegenstand sich entgegen zu haben);
so enthält die künstlerische Eingebung ihren Inhalt einerseits als
1
Siehe oben S. 167.
2
Siehe oben S. 99.
3
Das alles verbleibt noch im Innern des Geistes, es ist noch kein Handeln
nach außen dabei.