Table of Contents Table of Contents
Previous Page  6332 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 6332 / 9133 Next Page
Page Background

178

[197/198]

mit elementarer Notwendigkeit sich als Empfindungen aufdrängen

und die auffassenden wie gestaltenden Kräfte des höheren geistig-

seelischen Lebens an sich ziehen. Je mehr sich innere Sinnesempfin-

dungen und Triebe dem Instinktiven, dunkel Bewußten oder Un-

bewußten nähern, umso mehr ist das höhere Geistesleben mit seiner

vergegenständlichenden und gestaltenden Leistung davon ausge-

schlossen. Dafür muß b) eine mittelbare Einwirkung der höheren

Geistestätigkeiten durch Selbsterziehung und Meisterung der inne-

ren Sinnlichkeit eintreten, auch über den Umweg äußerlicher Ein-

wirkungen auf den Leib (z. B. durch Leibesübungen, Kuren) und

auf die Umwelt (Ausschaltung oder Herbeiführung bestimmter

Reize und Lebensbedingungen).

Die Bedeutung des Geistes für die Sinnesempfindung zeigt sich

insbesondere bei den außerordentlichen Empfindungen, so in hyp-

notischen Zuständen und beim Hellsehen. Doch begnügen wir uns

hier mit diesem Hinweise.

Wesentlich ist überall, daß der Geist, soweit er in die Sinnlichkeit

eingreift, nicht nur diese selbst erst formt, sondern auch das in den

höheren Bewußtseinsstufen Ausgegliederte in der Sinnlichkeit in-

haltlich wieder zur Geltung, zur Auswirkung bringt. Auf den oben

geschilderten Wegen ist es Glaube, Liebe, Wissen, Gestaltung, Wol-

len und Handeln, welches in die Sinnlichkeit eindringt und sie mit-

bestimmt.

/

Alle jene Lebensgestaltungen und Lebensordnungen, welche von der Religion,

der Gemeinschaft, der Wissenschaft, der Kunst und den mannigfachen Systemen

des Handelns auf die Sinnlichkeit übergehen, legen geschichtliches Zeugnis dafür

ab, in welcher Weise der Geist seinen Seinsgehalt noch in der Sinnlichkeit zur

Auswirkung bringt. Die Systeme der Familie z. B., wie wir sie als Einehe, Vielehe,

Mutterrecht, Vaterrecht, Großsippe usw. aus Geschichte und Völkerkunde kennen,

zeugen stets von bestimmten Einwirkungen der höheren Geistesinhalte auf die

geschlechtlich-sinnliche Seite des Lebens.

Ebenso erweisen sich die

„Bedürfnisse“

nicht, wie die herkömmliche Lehre

will, als eindeutig an den Ablauf der leiblichen Verrichtungen geknüpft, wodurch

sich besonders Nahrung, Wohnung, Kleidung, Heizung angeblich bestimmen

(entsprechend

dem

„Ernährungsbedürfnisse“,

„Wärmebedürfnisse“

und

ähn-

lichem). Vielmehr zeigen uns Geschichte und Erfahrung ein ganz anderes Bild.

Die chinesische, indische, ägyptische, griechisch-römische, mohammedanische Kul-

tur weisen jeweils andere Lebens-, Wohn- und Bekleidungsbedürfnisse auf. Das

Gesamtganze einer Kultur, das heißt der Gesamtzusammenhang geistig bestimm-

ter Z i e l e , ist es, welcher auch die einfachsten, leiblich so unmittelbar mit-

bestimmten Ziele der Ernährung, Bekleidung, Wohnung und Heizung — das sind

vom wirtschaftlichen Standpunkte aus die wichtigsten Posten in den meisten