180
[199/200]
Ausgliederung ihrem reinsten Wesen nach Selbstsetzung sei, hat
uns keiner so klar wie Fichte gelehrt; daß diese mit dem Begriffe
des Actus purus Zusammenfalle und durch ihn erläutert werde, er-
gibt sich aus alter philosophischer Weisheit.
Haben wir aber so das Wesen aller Teilinhalte als selbstsetzende
Ausgliederungstat verstanden, dann ergibt sich, daß diese in allen
Leistungsschichten, auf allen Stufen vorhanden sein müsse. Da aber
Ganzheit überall Führung und Geführtes kennt, so läßt sich ein-
sichtig verstehen, daß die selbstsetzende Ausgliederungstat des Gei-
stes sowohl in empfangender wie / in eigentätiger, das heißt ver-
arbeitender, Form auftrete. Empfangend ist sie gegenüber der Ein-
gebung, eigentätig in der Verarbeitung.
Da sich aus dem ganzheitlichen Lehrbegriffe auch ergibt, daß die
menschliche Selbstsetzung keine absolute, sondern nur Schaffen
aus Geschaffenwerden ist, so folgt daraus auch: daß die e m p -
f a n g e n d e d i e h ö h e r e F o r m s e i , i n w e l c h e r U n -
m i t t e l b a r k e i t l i e g e , das heißt aber: Erschaffenwerden; die
niedere aber die Endform, in welcher eigenes Schaffen sich zeige.
Daß diese beiden Formen wieder auf allen Stufen auftreten müs-
sen, ergibt sich ebenfalls einsichtig. Endlich sind auch E r i n n e -
r u n g u n d G e d ä c h t n i s , wenn Vergessen als Schwächung der
Setzung (in ihrer Ganzheit), Wiedererinnerung als Wiederherstel-
lung des Actus purus, Wiederherstellung des Unterbrochenen gefaßt
wird, einsichtig aus dem Wesen der Ausgliederung und der Um-
gliederung zu erschließen.
Unser Ergebnis ist: Dem G e s c h a f f e n w e r d e n entspricht
das eigene S c h a f f e n (der Unmittelbarkeit die Vermittelbar-
keit); dem Ausgliedern und Umgliedern entspricht die Wiederher-
stellung (Festhaltung) desselben im G e d ä c h t n i s s e .
V o l l k o m m e n h e i t u n d U n v o l l k o m m e n h e i t zei-
gen sich hier ebenso wie früher als eine Abwandlung aller Kategorien
auf sämtlichen Gebieten, auf die der Ganzheitsbegriff angewendet
werden kann, bereiten daher in der Geisteslehre keine Schwierig-
keiten und Überraschungen. Die Bedeutung des Satzes, daß S o l -
l e n v o r S e i n g e h e , wird hier am einsichtigsten offenbar.