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zungen der Gezweiung höherer Ordnung hergenommen werden,
welche wieder auf das Zwischengebilde, den geistigen Leib, führt.
Der Begriff des geistigen Leibes ist in der Geschichte der Geisteslehre nicht
unbekannt. Er hat im Laufe der Zeiten viele Namen erhalten. Da ein Weg aus
dem Nichtsinnlichen in das Sinnliche, aus dem Geistigen und Vorstofflichen in
das Räumlich-Stoffliche für jede tiefere geistige Auffassung des menschlichen
Wesens notwendig angenommen werden muß, ist der Begriff eines geistigen
Leibes oder, was ihm entspricht, allen höheren Philosophien eigen gewesen. In
der i n d i s c h e n S e e l e n l e h r e werden sogar mehrere solche Zwischen-
gebilde oder Abstufungen angenommen, das linga sharira und kamaruna. Bei
P l a t o n , b e i d e n N e u p l a t o n i k e r n heißt es:
σώμα ψυχικόν
oder
πνευ
-
ματικόν
.
Bei P a r a c e l s u s heißt es siderischerLeib oder überelementischerLeib,
auch Astralgeist, bei Jakob B ö h m e u n d B a a d e r Tincturleib, bei der Seherin
von Prevorst Nervengeist, Immanuel Hermann F i c h t e nennt es innerer Leib,
Carl Gustav C a r u s ätherische Substanz. Vielfach wird der Name „Lebensgeist“
gebraucht, im neuzeitlichen theosophischen Schrifttume auch „Astralleib“ (so Du
Prel), „Ätherleib“ (Rudolf Steiner), „Meta-Organismus“ (von Hellenbach).
Sofern der neuzeitliche „Okkultismus“ allerdings in dem „feineren Leib“ nur
eine Verdoppelung des menschlichen Körpers und dessen sämtlicher Organe in
ihm vorgebildet sieht, müssen wir diese Annahme ausdrücklich zurückweisen. Dann
könnte man diesen feineren Leib ja nochmals in einem noch feineren vorgebildet
und verdoppelt sehen usf. ohne Ende. Auch in anderer Hinsicht ist diese Annahme
unlogisch. Denn es handelt sich doch bei Zwischengebilden dieser Art immer um
den Übergang aus dem Unräumlichen in das Räumliche, dem Vorstofflichen und
Geistigen in das Stofflich-Leibliche. Dieser Übergang vermag schon deshalb das
räumlich-stoffliche Ausgliederungsbild des Leibes nicht widerzuspiegeln, weil er
selber ja nicht räumlich sein kann. Auch das Auftreten sogenannter P h a n -
t o m e , / welche die Vermutung der Verdoppelung des Leibes durch einen
feineren Leib veranlaßten, kann meines Erachtens die Verdoppelung in Wahrheit
nicht begründen. Das „Phantom“ könnte (sofern überhaupt der pneumatische
Leib zu seiner Erklärung herangezogen wird) bloß eine Verräumlichung des
pneumatischen Leibes sein, ein plastisches Ergebnis desselben, während er selbst
die bildende Kraft, ein Vorräumliches bleibt.
Als vorräumlicher könnte der pneumatische Leib auch niemals sichtbar sein,
weshalb die „Aura“ der Theosophen, falls sie anerkannt würde, nur als Aus-
strömungsergebnis, nicht selbst als das Zwischengebilde zwischen Geist und Leib
betrachtet werden könnte
1
.
2. Herz und Atmung
Um den Ursprung der Gliederung unserer leiblichen Verrichtun-
gen und damit des menschlichen Leibes selbst zu finden, müssen wir
jenen Punkt bestimmen, in welchem der unmittelbare Einfluß des
pneumatischen Leibes stattfindet. Dies ist nach uralter Überliefe-
1
Zum neuzeitlichen Schrifttum hierüber vergleiche das sorgfältige Werk von
Emil Mattiesen: Der jenseitige Mensch, Berlin 1925, S. 570 ff., 581 f. und öfter.