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dann könnten sie ja auch niemals „in das Bewußtsein erhoben“
werden. Was nicht wenigstens Spuren von Wachheit, Bewußtheit
besitzt, kann auch niemals „geweckt“, niemals in das Bewußtsein
„erhoben“ werden. Auch handelt es sich dabei nicht durchaus, wie
die Worte „unbewußt“ und „unterbewußt“ zu sagen scheinen, um
Vorgänge, die von geringerer Art wären als die verarbeitenden,
zerlegenden („reflexiven“) Vorgänge. Eher möchte vielmehr die
Eingebung oder das Gewissen von höherer Art sein.
Wir wollen daher lieber die Bezeichnung Vor-Bewußtes, welche
nach verschiedenen Seiten hin Möglichkeiten offen läßt, / gebrau-
chen, eine Bezeichnung, die schon der jüngere Fichte verwendete.
Die Entdeckung des Vorbewußten oder „Unbewußten“ nimmt in
der Schellingischen Naturphilosophie ihren Ursprung. Die Geistes-
lehre der gesamten Romantik und des deutschen Idealismus arbei-
tete mit diesem Begriffe. Schopenhauer übernahm ihn von diesen
seinen Vorgängern, schlug aber (wie auch sein Nachfolger Eduard
von Hartmann) eine falsche Richtung ein. Er faßte das Vorbewußte
als b l i n d e n Trieb, blinden Weltgrund und brachte es so in
einen falschen Gegensatz zum Bewußtgeistigen. Vor Hartmann hat-
ten jedoch die Nachromantiker Gotthilf Heinrich von S c h u -
b e r t
1
, d e r j ü n g e r e F i c h t e
2
, besonders aber Carl Gustav
C a r u s
3
das Vorbewußte in die Geisteslehre eingeführt. Beson-
ders Carus arbeitete so planmäßig mit dem „Unbewußten“ als
einem systematischen Hauptbegriffe der Psychologie wie keiner
vor ihm.
Damals, als die romantische und idealistische Schule die „Nacht-
seite“ des Bewußtseins behandelte (eine Bezeichnung, die Gotthilf
Heinrich von Schubert gebrauchte), zog sie sich Spott und Hohn
seitens der naturalistischen Seelenlehre zu. Heute versuchen dage-
gen viele naturalistische Psychologen und „Psychoanalytiker“ den
Begriff des Unbewußten in ihre Lehre einzubeziehen. In Wahrheit
aber waren die alten Gegner des „Unbewußten“ folgerichtig, daher
1
Gotthilf Heinrich von Schubert: Die Geschichte der Seele, Stuttgart 1830,
5. Aufl., Stuttgart 1878.
2
Immanuel Hermann Fichte: Psychologie, Bd 1, Leipzig 1864, Bd 2, Leip-
zig 1873; Anthropologie, Die Lehre von der menschlichen Seele, Leipzig 1856,
3. Aufl., Leipzig 1876.
3
Carl Gustav Carus: Psyche, Pforzheim 1846, Neudruck Leipzig 1926.