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[400/402]

VI.

Die Art des Menschen

Seine Ebenbildlichkeit und Verfinsterung

Die Vollkommenheiten des menschlichen Geistes weisen uns am

deutlichsten darauf hin, welcher Art er sei. Die Unvollkommen-

heiten hinwieder zeigen uns die tatsächlichen Störungen und Zerrüt-

tungen an, die ihm anhaften.

Wählen wir aus den früher bei verschiedenen Gelegenheiten ent-

wickelten Vollkommenheiten und Unvollkommenheiten jene her-

aus, die für unseren Zweck besonders lehrreich sind, so ergibt sich

etwa folgende Tafel. Wir bemerken noch dazu, daß keine einzige

der anderen in dieser Tafel nicht genannten Vollkommenheiten oder

Unvollkommenheiten einen Widerspruch zu dem Bilde begründen

würde

1

.

Betrachten wir die Vollkommenheiten des menschlichen Geistes,

so zeigt er sich als Tätigkeit schlechthin (Actus purus), vollkommen

gesammelt, unermüdlich und vollkommen erweckt: Das B i l d

d e r V o l l k o m m e n h e i t e n d e s m e n s c h l i c h e n G e i -

s t e s g l e i c h t s e h r d e m B i l d e G o t t e s , d a s d i e

m e n s c h l i c h e V e r n u n f t v o n i h m e n t w i r f t .

Da dieses Bild Gottes nicht willkürlich, sondern aus strenger,

sachlicher Wesensanalyse sich ergibt, so zeigt sich daran nichts

Geringeres als die G o t t e b e n b i l d l i c h k e i t d e s M e n -

s c h e n , s e i n e m r e i n s t e n , i n n e r s t e n W e s e n n a c h .

Der Mensch ist theomorph.

Die alte Weisheit wird wieder lebendig, daß der Mensch Gott im

kleinen,

μοκρόθεος

,

sei. Erst als

μοκρόθεος

wird er, indem er dadurch

an die Spitze der Natur gestellt und ein Auszug aller Naturkräfte

ist, auch

μικροκόσμος

,

die Welt im kleinen.

Es ist ein betrübliches Zeichen des Geisteszustandes unserer Zeit,

daß der Begriff der Göttlichkeit unserer Natur in ihr nicht leben-

dig ist. Ja, er scheint ihr so unerschwinglich, daß / man darin nur

eine biblische Schwärmerei erblickt, die nicht ernst zu nehmen

wäre. Aber die Mystiker aller Zeiten, und nicht nur die christlichen,

1

Siehe unten S. 355.