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nannten Erfahrungsseelenlehre seit Jahrhunderten herrscht. Diese
Erfahrungsseelenlehre vermag daher gerade über die seelischen Er-
fahrungen keine Auskunft zu geben.
Platons Lehre zeigt, daß die Zergliederung der subjektiven See-
lenerfahrung nicht möglich ist, ohne die höchsten ontologischen Be-
griffe zu berühren, nämlich Gott, Natur, Sittlichkeit, Gesellschaft.
Denn die subjektive Seele ist nichts Vereinzeltes und ihr höchstes
Prinzip weist auf Gott, ihr niederstes auf die Natur, ihre Verbun-
denheit mit anderen Seelen auf die Gesellschaft, ihre Vervoll-
kommnungsfähigkeit auf die Sittlichkeit hin.
3. Aristoteles (
322 v. Chr.)
Bei Aristoteles finden wir dieselben Grundbegriffe wie bei Platon
und dieselbe Verflochtenheit der Seelenlehre mit Metaphysik, Na-
turphilosophie, Sittenlehre, Erkenntnislehre.
Aristoteles unterscheidet (wie ähnlich Platon im „Timaios“)
sieben Kräfte oder Vermögen (
δυνάμεις
) der Seele: ein ernähren- /
des, empfindendes, begehrendes, bewegendes, erkennendes, ferner
die Einbildungskraft (
φαντασία
) und den Willen
(
βουλευτικόν
)
1
.
Eine andere Einteilung ist die in Tun und Erkennen
2
. — Die
Sonderstellung des Geistes
(νούς,
denkende Seele) ist bei Aristoteles
dieselbe wie bei Platon. Ebenso ist ihm der Geist
(νούς
) der göttliche
Teil der Seele
3
, und zwar der tätige, schaffende Geist
(νούς
ποιητικός
,
in der Scholastik Intellectus agens genannt). Er wird vom Leibe
nicht berührt und ist lautere Tätigkeit, Actus purus
4
. Diese Bestim-
mung des Geistes als „reiner Wirklichkeit“ stellt eine Fortbildung
des Platonischen Begriffes des „seienden Seins“
(
όντως
όν)
dar. Un-
sterblichkeit kommt nur dem Geiste
(νούς)
zu. — Wie für Platon ist
auch für Aristoteles die Seele das Welterste. Und in erkenntnistheo-
retischer Hinsicht gilt der Satz, daß die S e e l e „gleichsam alle
Dinge“ sei, alle Formen in sich latent enthalte
5
. Wiedererinnerung
und Seelenwanderung lehnt Aristoteles ab.
1
Aristoteles: de anima, II, 3, 414b; III, c. 9, c. 10.
2
Aristoteles: de anima, III, c. 5, 430a, c. 8, 431b.
3
Vgl. Aristoteles: de anima, III, c. 5, 430a, 22.
4
Aristoteles: de anima, III, 5.p., 430a, 17.
5
Vgl. Aristoteles: de anima, III, 341b, 21 ff.