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Die Seelenlehre des Empirismus wird von zwei Grundgedanken

beherrscht, dem Sensualismus und der Assoziationsmechanik. Beide

bedingen einander.

Der Sensualismus baut die seelischen Erscheinungen von den Ele-

menten, von unten hinauf: Die sinnlichen Eindrücke sind ihm das

Erste des Seelenlebens und ihre Wiederholungen (Reproduktionen)

und Umbildungen ergeben die Vorstellungen mit ihren Gefühls-

betonungen; diese Vorstellungselemente setzen (ähnlich den Atomen

und Molekülen der Physik) die höheren seelischen Erscheinungen

zusammen.

Daraus ergibt sich die Assoziationslehre. Ihr zufolge besteht eine

Mechanik der Elemente, der auf Empfindungen zurückgehenden

Vorstellungen, insoferne sich diese zu „komplexen“ seelischen Er-

scheinungen verbinden und wieder auflösen. Die Gesetzmäßigkeit

dieser Mechanik, die „Assoziationsgesetze“, sind die letzten Grund-

vorgänge des Geistes, der damit also naturgesetzlich erklärt wäre.

Das Grundgesetz der „Assoziation“ ist das der Berührung (Kontin-

genz), das heißt, jede Vorstellung wird in Verbindung mit jenen

Vorstellungen wachgerufen, mit denen sie genetisch verbunden war.

(Folgeunrichtig ist dagegen das „Gesetz der Ähnlichkeit“, wonach

jede erweckte Vorstellung ähnliche erwecken soll, denn die Ähn-

lichkeit ist ja ein s i n n v o l l e r Sachzusammenhang.)

Die E i n t e i l u n g d e r s e e l i s c h e n E r s c h e i n u n g e n

in Vorstellung, Gefühl, Wille, die sich hier logischerweise ergibt,

stützt sich auf die Ursprünglichkeit der Sinnesempfindungen und

ihrer / „Derivate“, der Vorstellungen. Sie gibt den Gefühlen bloß

die Eigenschaft einer Beschaffenheit derselben (das heißt, die Vor-

stellungen sollen die Beschaffenheit haben, lust- oder unlustbetont

zu sein). Hiervon leitet sie eine mechanische „Dynamik“ der „Lust-

oder Unlustbetontheiten“ der Vorstellungen, diese zu Motiven des

Handelns machend, ab. Die „Lust- oder Unlustgewichte“ lenken

also eindeutig das Wollen und Handeln. Damit ist die Verneinung

der Willensfreiheit, der D e t e r m i n i s m u s , gegeben. Das ist

die Physik seelischer Erscheinungen, die „psychische Chemie“

(„mental chemistry“ nach John Stuart Mill), die „Psychologie ohne

Seele“.

Die Entwicklung der empiristischen Seelenlehre ging immer mehr

und mehr dahin, eine Lehre von der Sinnesphysiologie zu werden.