Table of Contents Table of Contents
Previous Page  6551 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 6551 / 9133 Next Page
Page Background

397

müssen. So aber erschienen ihm solche Mischsysteme als „hölzernes

Eisen“. Wenn wir ihm in dieser strengen Kritik nur zum Teil fol-

gen können, so heben wir damit sein Werk nur umso höher empor!

Spann eilte seiner und unserer Zeit so mächtig voraus, daß auch

die meisten jener Philosophen, die sich mit einer allmählichen Los-

lösung vom Empirismus für die Weiterentwicklung der Psycholo-

gie zweifellos Verdienste erworben haben, weit davon entfernt

sind, in Spann den Vollender aller Bestrebungen zu sehen, von de-

nen sie selbst geleitet worden sind. Spann geht denen zu weit, denen

echte Metaphysik jenseits ihres philosophischen Blickfeldes liegt

1

.

Gerade unter dieser Voraussetzung aber sind ihre Erkenntnisse als

umso anerkennenswerter zu beachten.

Als „Phänomene“ sah der Empirismus getreu seiner atomistisch-

naturwissenschaftlichen Herkunft vor allem E i n z e l -Erscheinun-

gen, die erst nachträglich — durch „Assoziationen“ — zu komple-

xen Gebilden verknüpft werden. Da machte Christian von Ehren-

fels (1859—1932) dieser damals herrschenden „Elementen-Psycholo-

gie“ gegenüber die aufsehenerregende Entdeckung der von ihm so

genannten „G e s t a l t q u a l i t ä t e n“. Die Gestalt ist mehr als

die Summe ihrer Teile, denn sie können ausgetauscht werden, ohne

daß die Gestalt sich ändert. Dies ist zwar für jeden Unbefangenen

(z. B. Musiktreibenden) selbstverständlich, nicht aber für die empi-

ristische Psychologie, denn sie stand ja durchaus im Banne des

Atomismus. Ehrenfels selbst konnte sich davon nicht grundsätzlich

befreien, denn er stellte seine Entdeckung der Elementen-Psycholo-

gie an die Seite, nicht aber entgegen. Die Erkenntnis Spanns, daß

j e d e Einzelempfindung und Einzelvorstellung nur im Rahmen

eines gegebenen Empfindungs- und Vorstellungsganzen, also nur

gliedhaft auftreten kann, setzt ein Erlebnis voraus, zu welchem sich

die ersten Wegebereiter auf der von Ehrenfels freigemachten Bahn

erst allmählich durchrangen.

Aus einer anderen Richtung stößt Alexius Meinong (1853—1920)

vor. Er befreit die in der empiristischen Psychologie vor allem am

1

Sie gleichen darin wahrlich jenen Gefangenen in Platons Höhlengleichnis,

die nur auf die ihnen erscheinenden Schattenbilder blicken, aber nichts sehen und

nichts sehen wollen von den Gegenständen selbst, schon gar nichts von denen,

welche diese Gegenstände hinter einer für sie unersteigbaren Mauer tragen, und

denjenigen mit größtem Mißtrauen begegnen, die ihnen von den realen Dingen

und ihren Trägern etwas zu berichten wissen (Platon, Staat, p. 514—517).