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reichte. Sie hat für die ganzheitliche Pneumatologie den Grund ge-

legt. War es schon eine gewaltige Tat, diese Leistung Fichtes in einer

von Empirismus und Individualismus durchaus beherrschten Zeit

in ihrer ganzen philosophischen und geistesgeschichtlichen Trag-

weite zu erkennen, so muß die Weiterführung der damit gestellten

Aufgabe vollends unsere bewundernde Aufmerksamkeit erregen.

Der Gedanke der Selbstsetzung war der idealistischen Philosophie

bekanntlich seit je selbstverständliche Voraussetzung der Geistes-

lehre. Diesen Begriff stellt Fichte nicht nur in den Mittelpunkt sei-

ner Philosophie, sondern entwickelt ihn weiter, indem er die Set-

zung näher bestimmt als eine Entgegensetzung, auf welche als dia-

lektische Synthesis die Ineinssetzung folgen muß. Den ersteren

Schritt nimmt S p a n n a l s V e r g e g e n s t ä n d l i c h u n g , wel-

che nur durch eine Auseinanderlegung, eine Ausgliederung der Ein-

gebung möglich ist. Den letzteren vollzieht er — viel plastischer,

als eine „progressive“ Synthesis es zu tun vermag — durch die rück-

verbindende (und insoferne gleichsam „regressive“) G e s t a l -

t u n g

1

, womit zugleich die Einheit von Wissenschaft und Kunst

festgehalten ist.

Was für Fichtes Gesellschaftsauffassung so entscheidend war

2

,

aber leider keine systematisch-philosophische Verwertung gefunden

und dadurch Anlaß zu vielen Mißverständnissen gegeben hat, wird

für Spann nun das Urerlebnis seiner persönlichen und wissenschaft-

lichen Grundhaltung: das Erlebnis der G l i e d h a f t i g k e i t .

„Alles, was ist, besteht als Glied eines Ganzen

3

.“ Auch der erken-

nende Geist empfindet sich stets als ein Glied im Kosmos. Nun dür-

fen wir, indem wir versuchen, die ganzheitliche Pneumatologie post

festum nochmals in ihrer systemgerechten Entwicklung nachzu-

zeichnen, gleichsam Spann in uns weiter denken lassen, so wie

Fichte gefordert hat, daß der wahre Philosoph nicht eigentlich selbst

zu denken habe, sondern die Weltvernunft in sich zum Denken

1

„Der Schritt des Geistes vom Wissen des Gegenstandes als einem be-

stimmten und unterschiedenen zum Bilden des Gegenstandes als Gestalt ist

eine Rückkehr zu seinem schöpferischen Ausgliederungsgrunde als zu seinem

Ursprunge.“ (Gesellschaftsphilosophie, München 1928, S. 82.)

2

„Sollen Menschen überhaupt sein, so müssen mehrere sein.“ (Fichte, Grund-

lagen des Naturrechtes, 1796, W. W„ Bd 3, S. 47.)

3

Kategorienlehre, 2. Aufl., Jena 1939, S. 3.