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Wilhelm Wundt (1832—1920) bringt ihn zur unbestrittenen

Herrschaft. Es bedeutet eine persönliche und philosophische Tragik,

daß dieser von dem lauteren Willen zur strengen, redlichen Objekti-

vität beseelte und mit geradezu mystischer Begnadung begabte Geist

zum verhängnisvoll erfolgreichen Wegbereiter einer philosophi-

schen Richtung geworden ist, durch welche der deutsche Idealismus

seinen Todesstoß erhalten sollte

1

. Es muß uns aber immerhin ein

nicht billiger Trost sein, daß gerade der Phänomenalismus schließ-

lich in den äußeren Erscheinungen des Geisteslebens Tatsachen auf-

zeigen konnte, die geeignet waren, die lange für unantastbar gehal-

tenen „Axiome“ des Empirismus ins Wanken zu bringen. Sie

widerlegten den psychologischen Atomismus und wiesen hin auf ein

inneres Gefüge des erkennenden Geistes, der nun nicht mehr als

eine inhaltslose tabula rasa abgetan werden konnte, sondern Zeugnis

gab von seiner „ganzheitlichen Struktur“ und dem damit seine

S u b s t a n t i a l i t ä t wiedergegeben wurde, die ihm eine „See-

lenlehre ohne Seele“ genommen hatte.

Es war dies ein überaus mühsamer, vor allem aber ehrlicher Weg,

dessen Bedeutung freilich e i n e r nicht sehen konnte, nicht erken-

nen konnte aus persönlicher Bescheidenheit: Othmar Spann! Denn

hätte er seine eigene Leistung als das eingeschätzt, was sie für die

Geistesgeschichte wirklich bedeutet, dann hätte er auch noch Teil-

leistungen in dieser Richtung irgendwie würdigen und anerkennen

1

Als besonders tragisch müssen wir das Wirken W i l h e l m W u n d t s

bezeichnen, wenn wir in dem Buche von Hans Volkelt, Grundfragen der Psycho-

logie, Beck, München 1963, auf S. 149 f. lesen, daß der Neubegründer der empi-

ristischen Elementenpsychologie sein Leben bestimmt sah von einem Erlebnisse,

durch das der Fünfundzwanzigjährige in unmittelbarer Todesnähe „sich das Eins-

sein mit Gott für immer erkämpft hatte ... Damals habe er“, so zitiert Volkelt,

teils wörtlich, aus Wilhelm Wundt, Erlebtes und Erkanntes, Leipzig 1920, S. 116 ff.,

„wie Meister Eckhart erfahren, ,daß die menschliche Seele (!) in ihrer vollkom-

menen Reinheit von allem, woran sie im Leben mit innerer Notwendigkeit als

ihrer sinnlichen Verkörperung gebunden ist, losgelöst gedacht vollkommen eins

mit der Gottheit selbst ist“. Daß er diese Einheit als Todkranker einst gefühlt habe,

fiel ihm später, als er Meister Eckhart las, ,wie eine plötzliche Erleuchtung in die

Seele

1

... er habe das ,Gefühl der Gottheit in der eigenen Seele' gehabt“.

Wundt konnte seine mystische Erleuchtung freilich nicht anders als pantheistisch

deuten: Das „Leermachen von allen Dingen“, wie es Meister Eckehart forderte,

führte mittels der Begriffswelt des Empirismus zur Fiktion einer ursprünglichen

Leerheit der Seele, zur Vorstellung einer tabula rasa. Ein aufrüttelndes Zeugnis

dafür, wie sehr es klarster, aus der Tiefe der Weltordnung hervorgeholter Be-

griffe bedarf, um selbst aus größten Erlebnissen die Wahrheit zu erkennen!