392
Kategorienlehre angehören wie der Pneumatologie, hereingenom-
men und daraus die religionsphilosophischen Kategorien nach-
träglich gleichsam aus dem Gefüge des geistigen Seins deduziert. Es
ist keine zuviel und keine zuwenig. Die Religionsphilosophie
nimmt die beiden Pfeilerreihen der Ganzheitslehre in sich auf und
umfaßt sie wie Bögen die Pfeiler einer gotischen Kathedrale. Wie in
dieser strebt alles einem einzigen, Welt und Überwelt zusammen-
haltenden Punkte zu, dem Fünklein.
II. Die Stellung der Geisteslehre in der
Geschichte der Philosophie
A.
Die
g a n z h e i t l i c h e
P n e u m a t o l o g i e :
e i n e
s c h ö p f e r i s c h e W i e d e r e r w e c k u n g d e r a l t e n u n d
e i n e Y o r w e g n a h m e d e r m o d e r n e n P s y c h o l o g i e
1. Neufassung und Weiterbildung der alten Geisteslehre
Nicht von ungefähr und wohl auch nicht nur wegen „des heute
vielfach bestehenden Mangels an philosophischem Rüstzeuge
1
“ hat
Spann den „Lehrgeschichtlichen Überblick“ an den Schluß des Bu-
ches gestellt, während er sonst gewohnt war, mit der jeweiligen
Lehrgeschichte den Anfang zu machen
2
.
Da somit dem Leser die ganzheitliche Pneumatologie bereits ver-
traut ist, wenn er eine geschichtliche Zusammenfassung der alten
und neuen Seelenlehre vor sich sieht, wird ihm klar erkennbar, wie
sehr Spann bewußt und nachdrücklich an bewährten Überlieferun-
gen festhält, wie sehr aber sein Schöpfergeist aus einer ganz neuen
Eingebungsgrundlage heraus zu schaffen vermag und damit seiner
Lehre eine Richtung in die Zukunft gibt, wodurch zugleich die alte
Weisheit an Leuchtkraft gewinnt.
Spann hat immer wieder auf die epochale Tat hingewiesen, die
Fichte mit seiner Setzungslehre vollbracht hat, in der die ge-
samte idealistische Geisteslehre ihren dynamischen Höhepunkt er-
1
Siehe oben S. 10.
2
So auch in der Pneumatologie seines Buches: Der Schöpfungsgang des
Geistes, Jena 1928, S. 205 ff.