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Zweifel, sofern es nicht überkritisch zerstört worden ist, die Wirk-

lichkeit eines Wir-Ichs in vielen, sehr vielen Fällen in undurchdach-

ter, aber umso gefühlsmächtigerer Weise angenommen wird. Den

unkritischen, dunklen, gefühlsartigen Glauben an diese Wirklichkeit

dem unbefangenen Gemeinschaftserleben der Menschen absprechen,

heißt dieses verhängnisvoll verfälschen. Die ontologische Wahrheits-

frage, ich wiederhole dies, darf dabei offen bleiben. (Aber, ich will

nicht philosophisch feige sein: wenn auch nicht wissenschaftlich,

so bejahe ich glaubensmäßig in vielen Fällen das metaphysisch-me-

taphysische Dasein eines Wir.)“

Was der Glaube ergriffen hat, ist dem Wissen nicht grundsätzlich

verschlossen. Es steht vielmehr als Aufgabe vor ihm. Dies lehrt uns

der Schöpfungsgang des Geistes. Mit den angeführten hochbedeut-

samen Worten hat somit Volkelt als ein Verkünder der Ganzheits-

psychologie dieser auch schon die Aufgabe gestellt, dem „seelischen

Sein“ des Einzelnen einen metaphysischen Grund höheren Seins zu

suchen.

3. Die Tiefenpsychologie

Eine der Brüchigkeit des irdischen Lebens zukommende Erfah-

rung zeigt sich auch in der Geschichte der Philosophie: So jäh ein

Sturz aus größter Geisteshöhe geschehen kann, so mühsam und

schrittweise nur ist der Wiederaufstieg möglich. Besonders begna-

dete Geister bestätigen als die ganz seltenen Ausnahmen diese Re-

gel. Wenn selbst ein K a n t in seiner Erhebung über den Empi-

rismus nur die halbe Höhe der alten Wahrheit zu erreichen ver-

mochte (dieser freilich mit ganz neuen Bausteinen ein bisher nicht

gekanntes Fundament errichtend), so verstehen wir, daß auch die

Befreiung der Psychologie von den empiristischen Fesseln sich nur

ganz langsam vollzogen hat, wobei der Weg, den jeder der beiden

auseinandergefallenen Teile der Psychologie nun getrennt zurück-

legen mußte, umso beschwerlicher wurde. Einen davon haben wir

verfolgt. Er verlief im Lichte des Bewußtseinsbereiches der mensch-

lichen Seele und konnte schon deshalb nur ein Teilziel erreichen.

Es zeigt von der Lebendigkeit unseres Zeitgeistes, daß von der

anderen Seite wiedererkannt worden ist, wie sehr die menschliche

Seele aus Tiefen gespeist wird, die das Bewußtsein nicht erreichen

kann. Im Gegensatz zur herrschenden Schulpsychologie — von die-

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