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sinnlichen Objekt haftende „Vorstellung“ von ihrer Sinnlichkeit,

indem er mit seiner G e g e n s t a n d s t h e o r i e die vom Geist

erfaßten Gegenstände von den sinnlichen „Objekten“ auf die rein

geistigen „Objektive“ erweitert und darüber hinaus — wohl von

Ehrenfels beeinflußt — den „Gegenständen niederer Ordnung“

solche „höherer Ordnung“ überordnet, so zum Beispiel den einzel-

nen Tönen die Melodie. Wenn er sagt, daß „Superiora“ jederzeit

„Inferiora“ zu wieder höheren Superioren abgeben, so ist hier so-

gar ein Ansatz zu einem geistigen Stufenbau spürbar; freilich nur

im Denkprozeß, noch nicht in dem ihm entsprechenden Gefüge des

Geistes. Solchen „idealen Gegenständen“ kommt keine „Existenz“

zu, sie haben nur „Bestand“. Beziehen wir diese tieferlebte Erkennt-

nis etwa auf die erwähnte Melodie, so könnten wir sagen: Die Me-

lodie (als Ganzes) hat keine Existenz (kein Dasein), sondern nur

Bestand (sie besteht nur in einem Sein höherer Ordnung, wie jede

Ganzheit). Wie nahe wären wir dann dem Grunderlebnis der Ganz-

heitslehre! — Und noch ein weiterer Begriff läßt Meinong als einen

ersten Vorboten und vorahnenden Verkünder der Ganzheitslehre

erkennen: „die P r ä s e n t a t i o n“. Sie ist die Darbietung, die

Morgengabe für jeden Erkenntnisvorgang. Es zeigt von einer kaum

glaublichen Befangenheit in den primitivsten Grundvorstellungen

des Empirismus, daß keiner der Schüler Meinongs diesen Königs-

gedanken jeder Geisteslehre, der hier offenbar in einer terminolo-

gisch unglücklichen Form erstarrt ist, lebendig zu machen vermochte

zu dem der Meinongschen Erlebnisgrundlage zweifellos allein ange-

messenen Begriffe der E i n g e b u n g !

Noch hat der Weg zu einer ganzheitlichen Auffassung des Geistes

die Ebene des Phänomenalismus nicht verlassen. Die aufgezeigten,

ihrem Sachgehalt nach revolutionierende Erkenntnisse in sich tra-

genden Feststellungen waren Erscheinungstatsachen. Ihre Entdecker

vermochten daraus jedoch noch keine Folgerungen auf das Wesen

des erkennenden Geistes zu ziehen. Diesen verdienstvollen Schritt

vollzog die zweite Leipziger Schule durch ihren Begründer Felix

Krueger

1

(1874—1948).

Vorausgegangen war ihm sein Münchener Lehrer H a n s C o r -

n e l i u s (1863—1931), der wiederum auf dem von Ehrenfels

1

Felix Krueger: Zur Philosophie und Psychologie der Ganzheit, Berlin 1953,

S. 155 ff., 206 ff. und öfter.