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so ergeben sich durch Fortbildung, gewissermaßen durch Ver-

dichtung des bloßen Aneinanderreihens oder Addierens die ver-

schiedenen arithmetischen Handlungen, nämlich des Verviel-

fältigens (Multiplizierens und Potenzierens), des Verminderns

und Teilens (Subtrahierens und Dividierens), woran sich Loga-

rithmus, Gleichung und anderes folgerichtig anschließen.

Wir erkennen daraus umgekehrt: Würden nur beliebig ver-

wechselbare Setzungen nebeneinander gereiht, so gäbe es kein

Zahlensystem (sondern nur zahlenmäßige Häufungen). Erst in-

dem die Setzungen in ihrer Abfolge festgehalten werden, ergibt

sich eine vielfältige Bestimmtheit, ein System der Zahlen: Der

Einsinnigkeit und Nichtumkehrbarkeit der Zeit

1

, aus der die

Zahl stammt, entspricht der gefügehafte Aufbau der Zahlen-

reihe.

Faßt man das Bewegte, Dynamische der Zahlen ins Auge,

indem man sie als Setzungen, die in der Zeit aufeinanderfolgen,

betrachtet, dann löst sich auch das Rätsel ihres engen Verhält-

nisses zur Musik. Dieses Verhältnis ist in der Zeitlichkeit beider

begründet. Denn die Welt der Töne gehört dem Rhythmus, dem

Zeitmaße an. So erklärt sich die merkwürdige Tatsache, daß

die Mathematiker (sonst eher kunst- und lebensfremd) persönlich

stets eine enge Beziehung zur Musik haben. Die Zahlenfolge

ist gleichsam stumme Musik, die Musik laut gewordene Abfolge

zeitlicher Setzungen, was auch darin seinen Ausdruck findet,

daß die Töne der Dur- und Molltonleiter bekanntlich ein- / fache

Multiple oder Brüche im Verhältnisse zueinander sind. Darum

ist allerdings umgekehrt der große Musiker noch kein Mathe-

matiker, weil ihm das Hinabsteigen in die stumme Abart und

Vorstufe der Töne nichts zu geben vermag; während umgekehrt

der Mathematiker in der Welt der Töne eine Erfüllung, gleich-

sam eine geistige Verklärung der Zahlenfolgen (wenigstens nach

einer bestimmten Seite hin, nämlich der verborgenen Rhythmen

in ihnen) erlebt und sich so von der Armut und Leere der Zahl

befreit.

Auch der mythische und m y s t i s c h e Z a h l b e g r i f f

(Pythagoras, Ägypter usw.) hält das Zeithafte der Zahl fest und

ebenso die Bestimmtheit der Abfolge. Aber er faßt diese Tat-

1

Über diese siehe oben S. 40f.