62
[64/65]
Der W ä r m e g r a d (die Temperatur) wird durch Ausdehnung der
Quecksilbersäule oder von Gasen, also durch eine Raumstrecke, bestimmt. Die
Messung der W ä r m e m e n g e geht wieder auf Gewicht und Temperatur
zurück, also wieder auf Raumgrößen (1 Kalorie = die Wärmemenge, die nötig
ist, um 1 g Wasser um 10 C zu erwärmen).
Die e l e k t r i s c h e n
M a ß e i n h e i t e n zeigen grundsätzlich das
gleiche Bild, aber vermitteltere Zusammensetzung. 1 Ampere (Strom) geht auf
ein Gewicht und eine Zeit zurück (1,118 mg Silber, das in 1 sek aus einer
Silbernitratlösung ausgeschieden wird). 1 Ohm (Widerstand) ist der Widerstand
einer Quecksilbersäule von bestimmtem Querschnitt und be- / stimmter Tempe-
ratur, also durch Raumgrößen bestimmt. Volt (Spannung) geht auf Ampere
und Ohm zurück. Watt (Leistung) auf Ampere und Volt.
Es bestätigt sich demnach unsere Behauptung, daß alle Maße, mit denen die
Physik arbeitet, auf Raumgrößen zurückgehen und daß seinem Begriffe nach ein-
zig und allein der Raum in sich selbst ein Maß besitze; auch das ist aber nur der
Fall, soferne er als stetig, homogen und isotrop behandelt wird (als sogenannter
euklidischer Raum). In Wahrheit ist er das allerdings nicht, daher z. B. 1 kg,
1 Atmosphäre, 1 m wieder auf ganz konkrete, örtliche Bestimmungen hinaus-
laufen.
Ist nun der letzte, einzig ursprüngliche Bestandteil aller Messung die Raum-
größe, so folgt daraus: daß es nicht richtig sei, die Z e i t a l s v i e r t e D i -
m e n s i o n des Raumes zu behandeln. Die Zeit steht der Messung nach nicht
anders da als andere Natureigenschaften. Sie werden alle durch den Raum
gemessen. Und doch wird z. B. die Wärme nicht als vierte Dimension des Rau-
mes behandelt. Wie die Temperatur an der Lage (Raumstrecke) der Queck-
silbersäule, so wird die Zeit an der Lage eines bewegten Körpers, z. B. des
Pendels oder der Sonne, im Raume gemessen.
Da wir dem Gesagten zufolge zuletzt nur räumliche Mengen-
merkmale (Indizes) der Naturerscheinungen in der Physik an-
treffen, ist es nicht zuviel gesagt, wenn wir behaupten: Die neu-
zeitliche Physik ist nichts anderes als eine Geometrie der Natur-
erscheinungen. Sie ist aber allerdings diese Geometrie in dem
Sinne, daß mit den räumlichen Merkzeichen der Erscheinungen
nicht deren Räumlichkeit allein, sondern die an sich nicht faß-
baren Natureigenschaften (Qualitäten) dargestellt werden, so-
ferne sie sich nämlich in räumlichen Merkzeichen äußern. Zum
Beispiel wird das Licht durch Fortpflanzungsrichtung und
-geschwindigkeit, durch Einfall- und Ausfallwinkel der Re-
flexion dargestellt, seine Erhellung und Verfinsterung durch
Interferenzen, also stets geometrisch, in seiner Räumlichkeit.
Daher ist damit nichts über das Wesen des Lichtes ausgesagt. /