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noch ein widerspruchsvolles Gebilde. Sie wird daher von ihren
Vertretern selbst nur als etwas Vorläufiges betrachtet.
Eine allgemeingültige physikalische Theorie des Lichtes gibt
es also nicht. Andrerseits steht unzweifelhaft fest: daß es absolut
finsteren Raum nirgends gebe. Der Weltraum und die Schatten-
seite der Gestirne sind voller Licht, Wie ist das zu erklären? —
nicht so sehr daraus, daß alles Licht von leuchtenden Sternen
käme, als vielmehr daraus: daß der Raum selbst schon eine Form
des Lichtes ist! Unser Auge freilich sieht nur grelles Licht. Auch
im Inneren der Erde (das ja feurig-flüssig sein soll) fehlt Licht
nicht, und auch im Inneren der Steine muß gerade nach der
elektromagnetischen Theorie gebundenes Licht vorhanden sein,
da elektromagnetische Kräfte überall wirken.
Gegenüber all den genannten physikalischen Lichttheorien be-
haupten wir daher, daß man zur Erklärung des Lichtes auf den
Begriff des Raumes und der Gestalt zurückzugehen habe. Das
Licht ist mit dem Wesen des Raumes selbst verknüpft. Es ist die
innere Seite, die Empfindungsseite der Räumlichkeit.
Gewiß wird diesem Inneren und gleichsam Geistigen trotzdem
eine äußere Erscheinungsweise entsprechen. Da die Verräum-
lichung eine Tat ist, wird ferner das Licht auch Zeit brauchen.
Diese Tat kann auch eine innere Rhythmik haben (vielleicht
Wellenform-Interferenzen, obgleich man nicht vergessen darf,
daß dies zur lebendigen Sinneserfahrung des Lichtes nur hin-
zugedacht ist, hier daher Irrtümer möglich sind). Aber im Gan-
zen wird die bisherige Optik, soweit sie nicht eine bloße Geome- /
trie der Lichterscheinungen ist, wie man z. B. an den Reflexions-
gesetzen sieht, von der abstrakten Newtonschen Lehre zu einer
Lehre nach Art der dinglichen Farbenlehre Goethes zurück-
zukehren haben. Diese geht, wie uns bekannt
1
, von dem Satze
aus: Die Farben sind Taten und Leiden des Lichtes. Und zwar
ergeben sie sich aus dem Gegensatze: Licht — Körper (Medien)
— Finsternis (welche aber stets nur verhältnismäßig, nicht ab-
solut ist). Die verschiedenen Trübungen und Erhellungen, welche
das Licht an den verschiedenen Eigenschaften und Gestalten des
Raumes erleidet, lassen es darnach in verschiedenen Farben auf-
treten. — Farbe liegt also an der Verräumlichungsweise!
1
Siehe oben S. 136 ff.