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Daher Meister Eckehart sagt:
. alles Metall meint Gold, alle
Seele Gott“ (die Gottesgeburt in der Seele).
Unverkennbar ein exoterisches Bild mystischer Lichtverzückung
ist auch der d r i t t e H i m m e l d e r G e r m a n e n . Er ist mit
einem Palast, G i m l e , geschmückt, welcher glänzender ist als die
Sonne und mit Gold bedeckt. Er ist der ewige, im Weltuntergang
bestehen bleibende Himmel der mystischen Gottheit, zugleich der
Himmel des unsterblichen menschlichen Geistes — der mystischen
Union; denn der Edda zufolge wird er nach der Götterdämmerung
von den vollendeten Menschen und den übriggebliebenen Asen be-
wohnt (während der erste Himmel, Walhalla, und der zweite,
Aundlung, bei der Götterdämmerung zerstört werden). Auch an-
dere Bilder dieser Art finden sich in der nordischen Mythologie:
W a l a s k j a l f , die mit Silber gedeckte Himmelswohnung Odins;
G1 i t n i r (Gleißner) mit seinen Sälen von Gold und einem silber-
nen Dach; der himmlische Palast F o r s e t i s , des Sohnes von Bal-
dur und Nanna, dessen Wände, Säulen und Fußböden von Gold
sind. Die Fenster sind aus Edelsteinen, das Dach ist aus Silber;
G l a s o r , der Hain der Einherier und Walküren in Walhall mit
goldenen Blättern und Zweigen; die g o l d e n e n Ä p f e l der
Göttin Iduna, welche unsterblich machen (Lebensäpfel — Bilder des
mystischen Lichtes).
/
Auch der W e l t b r a n d der Zarathustrischen, germanischen,
gnostischen und keltischen Religion, sowie der Stoiker ist — wenig-
stens in bestimmter Beziehung — als ein exoterisches Bild eines eso-
terischen Vorganges aufzufassen: Indem der Mensch die relative
Nichtigkeit der sinnlich-materiellen Welt und seines niederen Ichs
im geistig-göttlichen Licht erkennt, in diesem Licht dagegen die ein-
zig wahre Wirklichkeit weiß, soll die Materie in ihm geläutert, in
der Wurzel beruhigt und so gleichsam in ihren übersinnlichen Ur-
sprung zurückgeführt werden. Die Materie soll von diesem mysti-
schen Licht aufgezehrt werden, soll sich dadurch von innen her auf-
lösen. Daher (gemäß der Lichterfahrung des Mystikers) der reini-
gende Brand. — Den Indern sind diese Begriffe ebenfalls vertraut
1
.
— Im Islam findet sich ein verwandtes Bild des Weitendes: die
1
Vgl. Karl Anders Scharbau: Die Idee der Schöpfung in der vedischen Litera-
tur, Stuttgart 1932, S. 97.