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gleichbar der Ideenflucht beim undisziplinierten Denken. Solche Fol-
gerungen stehen der Sache selbst nicht gerade nahe, sind aber im-
merhin mit der besprochenen vielfachen Gliedhaftigkeit vereinbar.
Beispiele für F a b e l e i e n , die ins Grundlose gehen, daher auch
„Urdummheit“ richtig genannt wurden, erübrigen sich, da die My-
thologien davon voll sind.
2. Sinnbilder
Von ihnen ist gleichfalls alle Mythologie erfüllt. Folgerung und
Sinnbild gehen ineinander über, sind übrigens auch den früher be-
handelten Entsprechungen
1
verwandt. Dem Dionysos z. B. ist der
Weinbau heilig, da die berauschende Wirkung des Weines das Sinn-
bild für den Rausch der / Ekstase abgibt. W e i n u n d W e i n -
r a u s c h sind deswegen nur Sinnbilder und nicht die Sache selbst,
weil es sich in Wahrheit in der Mystik ja um andere Ekstasen han-
delt. Auch der T a n z ist ein Zeichen teils mystischer Übungen (man
denke an die Derwischtänze), teils der himmlischen Intelligenzen,
welche um ihren göttlichen Urquell kreisen. Wein und Tanz kom-
men daher teils wirklich, teils sinnbildlich vor in den Dionysien, im
Neuplatonismus, im Hohenlied, im Islam (Hafis, Dschellaleddin
Rumi), in der christlichen Mystik sinnbildlich, z. B. bei Mechthild
von Magdeburg, Angelus Silesius. — Ähnlich ist die S t i e r -
g e s t a l t des Gottes Dionysos ein Sinnbild.
In allen solchen Fällen deutet das Sinnbild durch eine niedere
Stufe der Ekstase (Weinrausch, Tanz) auf eine höhere, die mystisch-
göttliche, hin. Andere Sinnbilder wieder sind weniger unmittelbar
mit der Ekstase verknüpft. So ist der B a u m vielfach Sinnbild des
Lebens, daher der „Lebensbaum“ (Weltenbaum der Germanen),
D r a c h e u n d S c h l a n g e Sinnbild des Chthonischen, Stoff-
lichen, Finsteren, oder aber des Irdischen, Sinnenhaften im Men-
schen. Die Schlange, da sie die Haut abwirft, kann aber auch die Le-
benserneuerung darstellen.
R a d , S c h e i b e u n d K u g e l sind Sinnbilder der S o n n e ,
welche selbst wieder im engeren Bereich der Mystik Gott darstellt.
Daher wird sie nach Jeremias in der sumerisch-babylonischen Kul-
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Siehe oben S. 160 ff.