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verdirbt. (Allerdings haben die bezüglichen Sagen auch noch andere

Seiten, was aber die Richtigkeit unserer Deutung keineswegs aus-

schließt.)

Nun noch einige andere Hinweise.

Bei Homer findet sich öfters die Wendung: „Es liegt in den K n i e n d e r

G ö t t e r . “ Ein Bittender umfaßt die Knie des Angeflehten. Der Sinn ist wohl,

daß in den mystischen Übungen die Knie als besondere Lebenszentren empfun-

den werden, als Sitz besonderer Lebenskraft. Auch das kultische Niederknien

beim Gebet (oder beim Empfangen des Lehens) hängt wohl damit zusammen.

Das Niederknien stärkt die eigene Kraft der Sammlung.

Der H e r m a p h r o d i t , dem wir in den mythologischen Kunstdarstellun-

gen so auffallend oft begegnen, ist nicht etwa Symptom krankhafter Kunst oder

lüsterne Figur. Vielmehr deutet er auf die Vereinigung von Hermes und Aphro-

dite hin, auf das androgyne Wesen, welches die mystische Einheit aktiver und

passiver, männlicher und weiblicher Schöpferkraft in sich schließt. Bei den Alten

ist alles sakral zu verstehen! — Abgeleiteterweise kann der Hermaphrodit aller-

dings auch eine astralmythologische Wurzel haben, sofern nämlich Sonne und

Mond als männlich-weibliche Einheit aufgefaßt und dargestellt werden.

Die Symbolik der Mystik war noch bis in das Mittelalter hinein

lebendig. Das beweist unter anderem die Sage von Herzog H e i n -

r i c h d e m L ö w e n , welcher in einsamem Wald einen Löwen

antraf, der mit einem Lindwurm (Drachen) kämpfte. Herzog Hein-

rich half dem Löwen, den Drachen zu besiegen, seither folgte ihm

der Löwe und war ihm untertänig

1

. Der Löwe ist König der Tiere,

er bezeichnet daher die Beherrschung des niederen Ichs, der Wurm

das niedere Ich. Auch diese Sage bezieht sich also auf den inneren

Weg des Mystikers und lehrt uns, daß man Herzog Heinrich für

einen mystisch-magischen Eingeweihten hielt.

Auch die bekannten Sagen von K a i s e r K a r l d e m G r o ß e n

i m U n t e r s b e r g u n d K a i s e r R o t b a r t i m K y f f h ä u -

s e r sind nicht allein durch Volksphantasie erklärbar, sondern wei-

sen auf einen mystischen Kern zurück. Wer den „mystischen Tod“ /

starb, lebt im „wüsten Abgrund der Gottheit“, wie Eckehart sagte.

Er lebt und lebt nicht, „vivit et non vivit“

2

. Er ist dieser Welt er-

storben, aber er kehrt wieder und ist dann Sieger über die Welt —

1

Deutsches Sagenbuch, herausgegeben von Friedrich von der Leyen, Teil 3:

Mittelalter, von Carl Wehrhan, München 1919, S. 128 ff.

2

So nach dem Spruche der sogenannten erythräischen Sybille in bezug auf

Kaiser Friedrich IL, dessen Wiederkunft ähnlich wie von Friedrich I. behauptet

wurde. Nach Carl Wehrhan: Sagen des Mittelalters, München 1919, S. 169.

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Spann, Religionsphilosophie