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tur als Sinnbild der Wahrhaftigkeit und weiterhin der Gerechtig-

keit gepriesen

1

.

Die H ö h l e als Geburtsort so vieler Götter ist das exoterische

Sinnbild des Herabstieges des Göttlichen und Geistigen in die fin-

stere Erdenwelt. Zum Beispiel wird der chthonische Zeus in der

Idäischen Höhle geboren. Wenn auch Christus im Stall, also in der

Höhle geboren wird, so mag sich auch der Christ dieses treffende

Sinnbild gerne gefallen lassen. Als verhältnismäßig äußerlich emp-

funden wird es, wenn die Tür als ein Sinnbild dessen galt, der zu

allem der Zugang ist. Daher durchschritt der gottesfürchtige Ägyp-

ter „keine Tür anders, als in andächtigem Schweigen . . . , ein from-

mer Brauch, den Pythagoras für die Seinigen einführte“

2

. — Ähn-

lich dem Sinnbild der Tür ist das der / B r ü c k e . Sie vermittelt

zwischen Getrenntem, zwischen Himmel und Erde. — Das Bild des

A u g e s für die Gottheit bezeichnet nach Willmann „nicht bloß

die Allwissenheit (Gottes), sondern des schöpferischen Sehens, den

Bilder erzeugenden Blick“

3

.

Manche Sinnbilder sind bloß durch äußerliche Zufälle zustande gekommen.

Zum Beispiel ist bekannt, daß die Worte „Jesus, Christus, Gottes Sohn, Erlöser“,

welche das christliche Bekenntnis auf den kürzesten Ausdruck brachten und auf

griechisch lauten:

Ιησοΰς Χφιτόζ Θεοΰ, Υίής Σωτήρ

mit ihren Anfangsbuch-

staben: „i, ch, th, y, s“ das griechische Wort

ίχθΰς

, Fisch ergeben. So wurde der

F i s c h zum geheimen Abzeichen der Christen und damit zum uralten Symbol

Christi selbst. (Zugleich lehrt uns dieses Beispiel, nicht in jedem Tierbild einen

Beweis für Totemismus zu sehen.) Dieses Sinnbild verselbständigt sich aber spä-

ter und spielt z. B. in der Gralssage eine Rolle. Wie der Gral das Blut, so be-

zeichnet der Fisch den Leib Christi. Christus selbst wird als Fischer, die Predigt

als Fischernetz bezeichnet

4

. — Es ist allerdings auch möglich, daß das Geheim-

zeichen der Fische in der ersten Christenheit astrologischen Ursprungs ist. Infolge

der Präzession rückte bekanntlich um jene Zeit herum der Frühlingsstand der

Sonne im Tierkreis in das Zeichen der Fische. Wäre dies der erste Ursprung des

geheimen Abzeichens der Christen, dann bliebe jenes Spiel mit dem Anfangs-

buchstaben trotzdem ein Beispiel der Symbolik durch äußere Zufälle.

Sinnbilder und Allegorien sind übrigens in der Mythologie nie bestritten,

manchmal, wie besonders im ausgehenden Altertum, sogar nur zu oft gesucht

worden. Teils gehen die exoterischen Einkleidungen von selbst ins Sinnbildliche,

Repräsentative über, teils treten sie aber formell als solche auf. Wenn K i r k e

1

Alfred Jeremias: Handbuch der altorientalischen Geisteskultur, 2. Aufl., Ber-

lin 1929, S. 471.

2

Otto Willmann: Geschichte des Idealismus, Bd 2, Braunschweig 1907, S. 50.

3

Otto Willmann: Geschichte des Idealismus, Bd 2, Braunschweig 1907, S. 51.

4

Wilhelm Hertz: Parzifal, 4. Aufl., Stuttgart 1906, S. 427 (nach Georg Mar-

tin Dursch: Symbolik der christlichen Religion, Tübingen 1858, II, S. 435.