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nen gelernt habe... den sollst Du mit den Gebeten der Frommergebenheit
feiern, der ewiglich Mazdah Ahura heißt“
1
.
In Zarathustras Gottesschau lag eine offenbarende Kraft, welche wir bei den
Mystikern der Veden und Upanischaden nicht finden, eine Kraft, welche ihn
zum Kampf gegen den blutigen Opferdienst aufrief, und ihm zuletzt die mit
diesem Dienst zusammenhängenden Götter als böse Wesen, als Devas, erscheinen
ließen, deren Mittelpunkt in Drug, der Lüge, war. So gelang ihm die gewaltige
Leistung, die vom Dämonendienst überwucherte altindische Religion zu reinigen.
Er gelangte zu einem erhabenen M o n o t h e i s m u s , der keine nationale
Stammesreligion sondern, wie Eduard Meyer mit Recht hervorhob, eine
M e n s c h h e i t s r e l i g i o n begründete, und der durch seinen Unterschied
von den dämonisch-magischen Diensten des Polytheismus zugleich zum Kampf
für das Gute gegen das Böse, für das mystische Lichtreich gegen das Finsterreich
aufrief, damit den guten Menschen zum Gottesstreiter machte und so eine Re-
l i g i o n d e r S i t t l i c h k e i t wurde. Die mystisch begründete Religion nahm
eine ethische Wendung und s c h u f d a s s i t t l i c h s t e V o l k d e r W e l t .
In allen diesen Elementen der Religion Zarathustras — Berufung auf Offen-
barung und Einweihung, Lichtreich, Unsterblichkeit, Monotheismus, Gottesstrei-
tertum, Begründung der Sittlichkeit — finden wir nichts anderes als d i e s e l -
b e n G r u n d b e s t a n d t e i l e , d i e a l l e r M y s t i k e i g e n s i n d .
Sechstens: Der P l a t o n i s m u s u n d N e u p l a t o n i s m u s
waren nicht nur philosophische, sie waren auch religiöse Bewegun-
gen. Ihre mystischen Lehren enthielten dieselben Grundgedanken
wie sie der echten Mystik zu allen Zeiten eigen waren: Die mensch-
liche Seele ist selbst eine Idee, sie ist übersinnlicher Art, unsterblich,
gottverwandt, Seelengrund und Weltgrund bilden daher eine Ein-
heit
2
. — Die g r i e c h i s c h e O r p h i k mit ihrer Läuterungs-
lehre war ebenfalls eine Religion mit mystischem Kern. Jedoch ent-
zieht sie sich unserer genauen Kenntnis, da das Wesentlichste in ge-
heimen Weihediensten verborgen wurde.
Siebentens: Vom S u f i s m u s und der Ergebungslehre Moham-
meds gilt dasselbe, wie sich aus mehreren früheren Darstellungen
ergab
3
.
Achtens: Zum Teil wenigstens gehören endlich hierher auch die
sogenannten M y s t e r i e n d e r p r i m i t i v e n R e l i g i o -
n e n , / in denen sich noch Erinnerungen an echte Mystik erhiel-
ten
4
.
1
Yasna 45, 3 ff.
2
Vgl. oben S. 91 f.
3
Vgl. oben S. 82.
4
Worüber man bei Jakob Wilhelm Hauer: Die Religionen, Bd 1, Stuttgart
1923, einiges nachlesen kann.