Table of Contents Table of Contents
Previous Page  7222 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 7222 / 9133 Next Page
Page Background

300

[271/272]

schiede des Glaubens der Völker begründet. Von diesem Außenwerk

her kann dann sogar zum Teil auch der Kern der / Religion, der

mystische Gottesgedanke, angegriffen werden. Er erhält sich in die-

sem Fall meistens nur noch in Geheimlehren und in Geheimdiensten.

So bestätigt gerade der ungeheure Anteil der Magie an den alten

Religionen die Richtigkeit unserer früheren Ergebnisse: Innere

Offenbarungen sind es, durch welche die unerforschliche Gottheit

unmittelbar auf den Gang der Religionsgeschichte wirkt, und diese

sind im innersten Kern, als mystische Erfahrungen, eins. Gott wirkt

im G e i s t der Menschen, er wirkt durch den Geist der großen

mystischen Begabungen, die er erweckt, durch Eingebung. Niemals

aber tritt die Eingebung ohne subjektive, geschichtlich und natur-

haft mitbedingte Tätigkeit in Erscheinung, augustiniscj ausgedrückt:

Nemo credit nisi volens, niemand glaubt außer wollend, ein Satz,

den auch B a a d e r mit Recht hervorhob. In diesem Wollen liegt

stets ein differenzierendes Moment. Der Offenbarung, der Gnade

muß sich der Mensch freiwillig öffnen; er muß wollen, muß das

Dargebotene ergreifen, sich zueignen und verarbeiten, womit not-

wendig ein subjektiver und ein zeitgeschichtlicher Zug in alle Offen-

barung kommt.

Daß trotz der differenzierenden Wirkungen der Magie die letzte

Einheit der grundlegenden Offenbarungen in allen hohen Reli-

gionen bestehe, ist dadurch möglich, daß die Magie vornehmlich auf

die Rituale und Gottesdienste wirkt. Wir wollen die dadurch auch

in den Sittenbegriffen und Lehren entstehenden Unterschiede kei-

neswegs leugnen oder auch nur verkleinern. Sie bestehen und sind

sogar gewaltig. Daher auch die Religionen keineswegs von gleichem

Wert sind. Aber das alles sprengt die innerste mystische Einheit

nicht.

Die mystische Einheit, welche es zunächst in aller echten Reli-

giosität unter dem Wust der Verschiedenheiten zu finden galt, ist

uns ein Beweis dafür, daß Gott in der Religionsgeschichte sich be-

zeuge, das Uneinheitliche ein Beweis der unsäglichen Schwäche des

menschlichen Geschlechtes.

Diese Schwäche begreifen freilich die naturversunkenen Menschen

von heute, mögen sie sich nun Aufklärer, Empiristen oder Materia-

listen nennen, nur schwer.

/