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keiten des religiösen Bewußtseins, daher als der tragende Grund

aller Religionen.

Was das mystische Bewußtsein erfährt, bestätigt aber nicht nur

die Religionsgeschichte, bestätigt auch der prüfende Gedanke, be-

stätigt die kritische Erkenntnis, die Philosophie und darin insbeson-

dere die Lehre von den Gottesbeweisen und den allgemeinen Kate-

gorien (denn Rückverbundenheit und Ausgliederung sind Katego-

rien), bestätigt auch das künstlerische Bewußtsein mit seinem meta-

physischen Grundzug. Es gilt:

W a h r i s t d e r G r u n d g e h a l t d e r M y s t i k .

Der Grundgehalt der Mystik ist, wie sich zeigte

1

, zu allen Zeiten

derselbe. Darum ist die innere mystische Erfahrung der kostbarste

und unentbehrlichste Besitz des menschlichen Geistes. Einzig sie legt

den ersten Grund der Religion, sie gibt die lebendige Gewißheit

eines transzendenten Grundes der Welt und des menschlichen Gei-

stes. Die Gottesbeweise bestehen zu Recht, aber sie zeigen erst mit-

telbar das, was die Mystik unmittelbar besitzt. Ohne Mystik gäbe

es keine innere Transzendenzerfahrung, daher auch kein Gottesbe-

wußtsein. Denn aus sinnlichen Quellen, Furcht, Hoffnung, Traum-

erfahrung, Illusionen, Wunschbildern und Kausalerklärung von Sin-

neseindrücken welcher Art immer kann, so sahen wir schon früher, /

die empirische Ebene unserer Erfahrung niemals überschritten, das

Transzendente niemals erreicht werden. Aus solchen Elementen ist

noch nie eine Religion entstanden.

Zuletzt widerlegt auch nur die Mystik den Atheismus und sen-

suellen Empirismus.

Die mystische Erfahrung gibt aber dem Menschen mehr als nur

das Gottesbewußtsein, sie läßt ihn auch durch Gottverwandtschafts-

und Unsterblichkeitsbewußtsein schon in diesem Leben an der

Überwelt, am göttlichen Leben t e i l h a b e n. Dadurch begründet

sie das wesenhafteste Urelement aller Religion.

Gottesbewußtsein und Teilnahme am göttlichen Leben sind dem-

nach der grundlegende Beitrag, durch welchen die Mystik Religion

stiftet und erhält; die anderen Kategorien kommen noch ergänzend

1

Siehe oben S. 67 ff. und 84 ff.