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s c h e n G e h a l t erlangen konnte, obgleich er das Verhältnis zur
Gottheit — zum Tao — fast in den Hintergrund zu drängen
scheint. Da das Verhältnis des Menschen zu den Verstorbenen v e r -
p f l i c h t e t — wie auch die Ahnenverehrung der Römer und ganz
allgemein ferner die Heroenverehrung lehrt — ist es möglich, daß
hier die Religion zu einem Teil von Ethik verschluckt werde. Das
ist eine Verbildungserscheinung, tut aber dem grundsätzlichen
Wahrheitsgehalt der Totenverehrung keinen Abbruch.
C.
Die M a g i e
W a h r i s t M a g i e , jedoch fügen wir sogleich hinzu, wird sie
leicht echter Religiosität gefährlich.
Wir sahen früher: Es gibt Magie, aber ihre Ausübung ist zunächst,
gleich der Mystik, nur an den Grenzen des menschlichen Seelenlebens
möglich, nämlich in somnambulen und ähnlichen rauschartigen Zu-
ständen. Auch können die Kräfte der Magie mißbraucht werden
(„schwarze Magie“).
In der Magie wurzeln die W u n d e r ; denn sie beruht auf dem
Rapport mit den immateriellen Zentren der stofflichen und geisti-
gen Wesen, welche Zentren durch diesen Rapport zu besonderen
teils erhöhten, teils gehemmten Akten angeregt werden (aber nie
aus ihrer Art heraustreten können). Der in der aufklärerischen
Theologie so umstrittene Begriff des Wunders ist damit geklärt. Es
gibt Wunder! Keine Religion ohne Wunder, keine Wunder ohne
Magie. Alle großen Religionslehrer wirkten Wunder, alle / aber
warnten vor der Magie aus den Gründen, die wir früher auseinan-
dersetzten.
M a g i e k a n n m y s t i s c h b e g r ü n d e t e F r ö m m i g -
k e i t n i c h t e r s e t z e n . Dieser Satz kennzeichnet ihre Stellung
zur echten Religion. Zwar regt sie die Innerlichkeit der äußeren
Natur auf und berührt somit ein Überirdisches, aber sie schließt
nicht selbst die Gotteserfahrung in sich. Dennoch bezeugt die Magie
Gott, da sie beweist, die Natur sei nicht tot, habe vielmehr ein In-
neres, welches wir erreichen können. Sofern dieses Innere übersinn-
lich und in diesem Sinne transzendent ist, kann die Magie allerdings
dennoch auch mit eine Grundlage der Religion werden und ist es
auch in der Geschichte in weitestem Maße geworden — im Poly-