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theismus niederer Art, dem Polydämonismus, und auch in jenem
höherer Art.
In der Magie finden sich demnach Kräfte der Erhebung des Men-
schen zum Übersinnlichen, aber zum Übersinnlichen niederer Stufe,
das ist naturhafter oder geistiger Zentren. Diese Erhebung ist in-
folge der Vielheit dieser Zentren bereits projiziert in die unendliche
Mannigfaltigkeit der geistigen und natürlichen Weltkräfte: sie ist
nicht in das Eine, Urgöttliche konzentriert. Die erste Spaltung oder
Projizierung des e i n e n Göttlichen geht, wie sich
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an den Theo-
gonien zeigte (auf Grund der religiösen Kategorien), noch von der
eigenen menschlichen Geisteserfahrung aus. Die ersten hohen Göt-
ter sind geistige, mystische Potenzen (Wotan, Hermes, der makro-
kosmische, gottverwandte Urmensch). Von da sinkt die Projizie-
rung immer tiefer in die Sonderformen des geistigen Gemeinschafts-
lebens wie des Naturlebens, schließlich des Erd-, Tier- und Pflanzen-
lebens hinab.
Dadurch entsteht eine ungeheure Mannigfaltigkeit, zugleich aber
eine Verwüstung und Entartung des religiösen Lebens, welche die
mystischen Urwahrheiten verdunkeln, ja angreifen kann, besonders
sofern sie Verstrickung in die dämonisch-chthonischen, tief unter
dem Menschen stehenden Zentren und Mächte herbeiführt: Opfer-
blut, Götter- und Geisterzwang, chthonische Dienste, Tier-, Pflan-
zen, Stein- und Elementendienste sind die Zeichen der Verwüstung
der Religion durch Magie — a b e r n i c h t d a s Z e i c h e n
v ö l l i g e r U n w a h r h e i t ! Die Magie ist nicht ohne religiöse
Wahrheit, aber je mehr sich die Rück- / Verbundenheit in verhält-
nismäßig niedere Zentren als H i n d e r n i s der Rückverbunden-
heit in das e i n e , höchste Zentrum gestaltet, um so mehr wird
die Religion innerlich getrübt und äußerlich vermannigfaltigt; um
so mehr läuft sie auch Gefahr, sich in Entartungen, Greuel, wie auch
sinnlose Fabelei, Aberglauben, Unwahrheit zu verstricken.
Die Elemente der Magie sind wahr, aber die Magie kann nie pri-
märer und auch nie zentraler Bestandteil der Religion werden, ohne
diese zu entstellen. Das wird sich auch noch in anderen Zusammen-
hängen zeigen.
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Siehe oben S. 198.