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II. Ein Blick auf die Geschichte der Logik

1

Die überkommene Logik macht den Eindruck eines ehrwürdigen,

festen, geradezu unumstößlichen Gebäudes, welches für die Ewig-

keit gebaut ist.

Dennoch zeigt die Geschichte, daß manches davon ins Wanken

kam. Wie ist das möglich?

Da ist es lehrreich zu sehen, daß der Grund der Veränderungen

niemals in der überkommenen formalen Logik selbst lag, diese also

nicht von innen her die Krisen ihrer Lehren erzeugte, es vielmehr

stets die Änderungen der philosophischen Anschauungen und Rich-

tungen waren, von denen die Neugestaltungen ausgingen.

A. P l a t o n u n d A r i s t o t e l e s

Schon P l a t o n (427—347 v. Chr.) gab eine logische Theorie,

indem er unter dem Namen der D i a l e k t i k (ή διαλεκτική) die

Kunst der philosophischen Forschung als Begriffsbestimmung (όρος

λόγος τής ούσίας) und Einteilung, Unterscheidung (διαίρεσες) behan-

delte

2

. Die / Diairesis faßte er als Zweiteilung (Dichotomie). Geistes-

erkenntnis geht ihm auf das Seiende, die Ideen, ist schauendes Den-

ken, der Geist (νούς) ist der Wagenlenker der Seele, der allein das

Seiende schaut

3

. Vom schauenden Denken ist zu trennen das Ver-

standesdenken, welches den Nus nur auslegt (Verstand: λόγος,

διάνοια, λογισμός, zerlegendes Denken: διανοεΐσθαι, λογίζεσθαι)

4

. Der

1

Vgl. Karl Prantl: Geschichte der Logik im Abendlande, 4 Bde, Leipzig 1855—

1870, Bd 2, 2. Aufl., Leipzig 1885. Friedrich Harms: Geschichte der Logik, Ber-

lin 1881. Kuno Fischer: System der Logik und Metaphysik, 3. Aufl., Heidelberg

1909. Friedrich Überweg: System der Logik (1857), 5. Aufl., Bonn 1882. Gerhard

Stammler: Deutsche Logikarbeit seit Hegels Tod, Bd 1: Spekulative Logik, Berlin

1936. Johann Baptist Rieffert: Logik, eine Kritik an der Geschichte ihrer Idee, in:

Lehrbuch der Philosophie, hrsg. von Max Dessoir, Bd 2: Die Philosophie in ihren

Einzelgebieten, Berlin 1925, S. 1 ff.

2

Vgl. hauptsächlich zur Dialektik: Phaidros, 266 c, 273 c ff.; Dialektik, eine

Gabe der Götter: Philebos, 16 eff.; Staat, 511 b f., 532 a ff.; Sophistes, 253 b ff.;

Definition: Staat, 534 b; Gesetze, 895 d, 964 a; Theaitetos, 206 c ff.; Einteilung:

Staat, 454 a; Sophistes, 219 aff., 264 e; Philebos, 15 a f.; Politikos, 287 c und

öfters.

3

Phaidros, 247 c.

4

Geist, Nus: Staat, 508 d, 511 a ff., Sophistes, 249 a; Verstand, diskursives

Denken: Theaitetos, 185 a ff., Sophistes, 263 e ff.