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Nun kommt aber, wie schon betont, als weitere Grundtatsache

hinzu, daß nichts allein ausgegliedert, noch rückverbunden sei. Alles

erscheint mit anderen Gliedern zugleich, das heißt in Gemeinschaft,

also mitausgegliedert und mitrückverbunden.

Diese Grundtatsache alles ganzheitlichen Geschehens und schließ-

lich des gesamten Weltgeschehens gilt es, noch weiter ins Lo-

g i s c h e z u ü b e r s e t z e n . Das ergibt ein Denkgesetz, welches

wir als G r u n d s a t z d e r M i t g e d a c h t h e i t bezeichnen

oder als p r i n c i p i u m c o n s c i e n t i a e . Und zwar werden mit

jedem Gliede einer Ganzheit (oder schließlich mit jedem Dinge des

gesamten Weltgeschehens) alle über- und untergeord- / neten sowie

nebengeordneten Glieder und Ganzheiten mitgedacht; oder, anders

ausgedrückt, in jedem Gliede werden kraft seiner gleichzeitig viel-

fachen Gliedhaftigkeiten

1

alle seine sonst verborgen bleibenden

G l i e d h a f t i g k e i t e n stillschweigend, potentiell, mitgedacht.

In jedem Begriffe, den wir denken, klingen daher ungezählte

„Eigenschaften“, das heißt Gliedhaftigkeiten mit an, die in der Re-

gel nicht ausgesprochen werden, aber in anderen, besonders in un-

gewöhnlichen Begriffszusammenhängen zum Vorschein kommen,

aktualisiert werden. Wo ein Freund gedacht wird, wird nicht nur

der Begriff des Freundes, es wird auch der Gefreundete mitgedacht;

wo eine Rose, dort auch der Strauch, an welchem sie wuchs, wo ein

Baum, dort auch der Wald, oder auch die Gattung, Ordnung usw.,

wohin er gehört; wo eine Wolke, dort auch der Himmel, in dem sie

sich bildet. Und das alles nach vielfacher Gliedhaftigkeit: die Rose

als Glied der Pflanzenwelt, als Glied der Welt des Schönen, als Sinn-

bild der Liebe, als Glied der Wirtschaft, z. B. in der Erzeugung von

Rosenöl, und tausend anderer Bezüge mehr. Daher gilt allgemein:

wo ein Begriff gedacht wird, muß das nah verbundene Begriffsnetz,

schließlich das weitere Begriffsgebäude, dem er angehört, mitgedacht

werden. Das führt über die nebengeordneten Glieder und die unter-

geordneten Glieder zur Gesamtheit aller niederen Ganzheiten, über

die übergeordneten Glieder zum gesamten Weltgeschehen, zuletzt

zur Urmitte desselben, zu Gott.

Im l o g i s c h e n G r u n d s a t z e d e r M i t g e d a c h t h e i t

w i r d G o t t a l s U r g r u n d d e s D e n k e n s o f f e n b a r .

1

Vgl. unten S. 101 f. und 116.