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der vier Grundsätze aufeinander zurückführen. Im Begriffe der
Einerleiheit oder Identität liegt nämlich, jedes Ding sei es selbst, da-
her nicht ein anderes (A nicht non-A), daher der Widerspruch aus-
geschlossen. Der Satz des Widerspruches erscheint so nur als der ver-
neinende Ausdruck des Satzes der Einerleiheit. Schon Leibniz machte
geltend:
A = A
(Satz der Einerleiheit), es ist unmöglich, daß A zu-
gleich auch non-A sei (Satz des Widerspruches).
Ähnlich der Satz des ausgeschlossenen Dritten, da er ja nur die
Unüberbrückbarkeit des (kontradiktorischen) Widerspruches aus-
drückt. Indem ihm Aristoteles die Fassung gibt: „Von den Gliedern
eines Widerspruches muß eines wahr sein, es können nicht beide
falsch sein“
1
, erscheint er deutlich als eine Folge des Satzes vom
Widerspruche.
Unableitbar erscheint dagegen der Satz des zureichenden Grundes
daneben zu stehen, weshalb Leibniz die Sätze der Einerleiheit und
des Widerspruches für / das rein logische Denken, den Satz des Grun-
des für das empirische Denken als maßgebend erklärte. Dieser Satz
sei daher eine bloße Tatsachenwahrheit (vérité de fait), jene dagegen
seien Vernunftwahrheiten (vérités de raison)
2
. Damit kann man sich
aber nicht zufrieden geben!
Welche Bedeutung haben nun die logischen Grundsätze ganzheit-
lich betrachtet?
Aristoteles stellte die Grundsätze noch nicht an die Spitze der Lo-
gik. Leibniz erklärte zwar den Satz der Identität und des Wider-
spruches als oberste Denkgesetze, bezeichnet sie aber in der Mona-
dologie (§ 317) als Prinzipien der Schlüsse. „Daries und Reimarus
sind die ersten, welche in einzelnen von jenen Sätzen das Prinzip der
Logik finden“
3
. Die kantische Schule folgte diesem Vorgange.
Die Zurückführung der Grundsätze aufeinander und die von
Leibniz versuchte Zuordnung des Satzes vom Grunde zur Empirie
(das ist zum tatsächlichen Sein) weist uns übereinstimmend auf die
Einerleiheit von Denken und Sein hin. Maßgebend zeigen sich da die
Grundkategorien: Ausgliederung und Rückverbundenheit. Sie zei-
gen die logischen Grundsätze in einem neuen Lichte.
1
Aristoteles: Metaphysik, 4, 7.
2
Vgl. Kuno Fischer: Geschichte der neueren Philosophie, Bd 3: Gottfried
Wilhelm Leibniz, 5. Aufl., Heidelberg 1920, S. 496 ff. und 500.
3
Friedrich Überweg: System der Logik, Bonn 1857, S. 173.