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Denkens, darum müssen die Grundsätze des Denkens überall gelten
und billig am Anfange der Logik stehen.
Wir stellen zuerst die überlieferte Lehre, wie sie in der formalen
Logik gilt, dar und begründen darnach den ganzheitlichen Stand-
punkt.
/
A.
Die ü b e r l i e f e r t e L e h r e
Die formale Logik, wie sie sich schon im Anschlusse an Aristoteles
und die Scholastik entwickelte, unterschied eine Anzahl logischer
Grundsätze, deren wichtigste, in Kürze dargestellt, die folgenden
sind:
1.
Der Satz der Identität oder Einerleiheit (principium identitatis;
identitas von idem, derselbe, was wieder auf das Aristotelische
ταυτότης, Dasselbigkeit, zurückgeht). Er besagt, daß jeder Begriff,
jedes Urteil im Wechsel seiner Verkettungen als mit sich einerlei, das
heißt sich gleichbleibend, mit sich identisch gebraucht werden müsse.
Er wird auch angeschrieben A = A (wobei das Gleichheitszeichen
allerdings nicht mathematisch als Gleichheit z w e i e r Größen, son-
dern, wie wir sagen würden, ontologisch als B e i s i c h s e l b s t -
b l e i b e n oder S i c h g l e i c h b l e i b e n einer Größe, eines
Dinges, eines Elementes zu verstehen ist).
Dieser Satz wurde schon von Platon und Aristoteles im Kampfe
gegen die Behauptung der Sophisten entwickelt, es ließen sich über
jeden Gegenstand zwei gegenteilige Behauptungen aufstellen
1
. Auf
ihm beruht alles richtige Denken, sowohl als Begriffsbildung und als
Urteil wie als Schließen:
Alle Füchse sind vierfüßig.
Cajus ist ein Fuchs.
Also ist Cajus vierfüßig.
Cajus ist aber ein junger Student, „Fuchs“ genannt. / Dieser Fehler
— wir werden ihm noch öfter begegnen — kommt also durch Nicht-
festhalten der Einerleiheit des Begriffes „Fuchs“ als Tier im Vergleich
zum „Fuchs“ als Studenten zustande.
1
So Protagoras (5. Jahrhundert v. Chr.), vgl. Diogenes Laertius: Hist. Phil.
9, 51: „
Πρωτος ε'ψη δύο λόγους είναι περί παντός πράγματος άντικειμένους
άλλήλοις.
“