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Schon vom Gründungsakt des Buches und von seiner ersten Auflage an
hält Spann den Schlüssel in der Hand, der ihm den Zugang zur klaren
Erkenntnis des Wesens der nationalökonomischen Grundprobleme öffnet:
seine Gegenüberstellung von Individualismus und Universalismus als
verfahrensmäßiger Grundentscheidung. Diese Gegenüberstellung erweist ihre
fruchtbare Wegweiserschaft durch die ganze Geschichte des Buches hindurch;
und sie besteht ihre Bewährungsprobe auch heute noch.
1
In dieser verfahrensmäßigen Unterscheidung liegen die Gründe für den
Erfolg des Buches: Sie erlaubt es Spann, die geistesgeschichtlichen und
gesellschaftsphilosophischen
Hintergründe
der
jeweiligen
volkswirtschaftlichen Lehrgebäude aufzudecken.
Sie führt Spann über die reine Darstellung der Lehrmeinungen hinaus zur
Entschlüsselung ihres inneren Gehaltes: „In der Geistesgeschichte ist alle
Wahrheit von je vorhanden, aber sie wird gleichsam durch einen Wall von
Licht gehütet; er blendet das schwache und erleuchtet das starke, das geübte
Auge. Der Weg, der diesen Wall durchdringt, die Erkenntnis, welche den
Hüter der Schwelle überwindet, ist im Erlebnis des Wesentlichen der
Lehrgebäude
zu
finden.
Der
Z u s a m m e n h a n g
d e r
L e h r g e b ä u d e u n t e r e i n a n d e r muß erkannt, der höhere
Systemgedanke, der sie alle gestaltet und verbindet, der ihr bildender Grund
ist, entdeckt werden: Das ist das Übergeschichtliche.“
2
Damit wird Spann, der sich bereits in seinen früheren Arbeiten als
bedeutender Systematiker erwiesen hatte
3
und dessen große spätere
Leistungen im Bereiche des Systematisch-Kategorialen liegen sollten, in diesen
seinen „Haupttheorien“ zum bedeutenden „Geschichtsschreiber geistiger
Taten“ (Vorwort zur Jubelausgabe). Ein Geschichtsschreiber, der mit größter
Ehrfurcht vor dem großen geistigen Vorgange innerer Problementfaltung
steht, den die Lehrgeschichte unserer Wissenschaft darstellt; der die
„Auffassung der Wirtschaft rein von der Seite der Tauschvorgänge und
Preisbildung her gesehen — die eigentliche originelle Leistung Smithens“ —-
1
Edgar Salin sagt von den „Haupttheorien“: „In Deutschland war... das
erste Werk der soziologischen Richtung Spann, Haupttheorien der
Volkswirtschaftslehre . . . , die einzige Schrift, die den Anfänger zugleich in
die Geschichte der Wissenschaft, in die Fragestellung und die Verfahrenslehre
der zwanziger Jahre einzuführen geeignet war“ (Edgar Salin: Politische
Ökonomie. Geschichte der wirtschaftspolitischen Ideen von Platon bis zur
Gegenwart, 5. Aufl. der Geschichte der Volkswirtschaftslehre, Tübingen und
Zürich 1967, S. 196.
2
Aus dem Vorwort zur Jubelausgabe, siehe oben. S. 6.
3
Vgl. meine Nachworte als Betreuer des 3., 4. und des 6. Bandes der
vorliegenden Gesamtausgabe der Werke Othmar Spanns (Fundament der
Volkswirtschaftslehre, Gesellschaftslehre, Tote und lebendige Wissenschaft).