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nähern wir uns mehr und mehr den l o g i s c h e n Bedingungen

der äußeren Verfahrenstechniken.

In der S e e l e n l e h r e versuchte man seit Wilhelm Wundt —

vorbereitet durch Fechners „Psychophysik“, durch Helmholtz und

andere — mit Gewalt die Versuchsverfahren der Physik anzuwen-

den. Wilhelm Wundt richtete bekanntlich ein „psychologisches La-

boratorium“ mit maschinellen Anlagen in Leipzig ein. Er hatte

damit einen Welterfolg, denn die Physik galt damals, am Ausgange

des 19. Jahrhunderts, noch immer als das Urbild aller Wissenschaft.

Überall bemühte man / sich, seinem Vorbilde zu folgen, überall

wurden „psychologische Laboratorien“ eingerichtet. Auch heute hat

dieses Forschungsideal noch eine bedeutende Geltung. Aber meistens

sah man doch bald ein, daß die Erfolge kläglich, ja nichtig waren!

Der menschlichen Seele „mit Hebeln und mit Schrauben“ beizukom-

men, ist ein Irrwahn. Es kam daher ein anderes Versuchsverfahren

auf, welches im wesentlichen auf Ausfüllung von Fragebogen durch

die „Vp.“ (Versuchsperson), „Tests“, kurz auf Statistik hinausläuft.

Auch das ist nach meiner Überzeugung ein Irrwahn, eine leere Aus-

flucht des ursächlich-mechanistischen Denkens, durch welches man,

weil man das Wesen des menschlichen Geistes- und Seelenlebens ver-

kennt, hartnäckig an den Verfahren der Physik festhalten will. Im-

merhin, soweit man die Laboratoriumsverfahren Wilhelm Wundts

und die statistischen Verfahren der „Tests“ anwenden will, muß

man ähnlich wie in der Physik im wesentlichen praktisch angelernt

werden; und soweit man die anderen Versuchsverfahren anwenden

will, muß man Theorie und Technik der Statistik lernen, für welche

es ja eigene, vortreffliche Handbücher gibt

1

. Man kann übrigens zu-

geben, daß ganz am Rande der Seelenforschung, nämlich in der Sin-

nespsychologie, solche Verfahren eine gewisse Anwendung finden

können. (In Wahrheit ist auch da das Biologische durch Physik und

Chemie nicht erschöpfbar.) Auch kann im Kriege z. B. die Wirkung

der ersten Feuergefechte auf verschiedene Charaktere — „der im

Feuer ergrauten Krieger“ — sehr wohl beobachtet, also e m p i -

r i s c h erforscht werden. Im Ganzen aber kann man das

menschliche Seelenleben nur durch Einge- / bung, die aus dem eige-

1

So Wilhelm Winkler: Statistik, 2. Aufl., Leipzig 1925 (= Sammlung „Wis-

senschaft und Bildung“).