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als ein fortlaufender Beweis dafür, daß er durchaus und immer in
seinen großen Schöpfungen lebte und sich auf anderes schlechthin
nicht einlassen konnte — mit winzigen Ausnahmen, in denen er
dann als genialer Denker hervortritt.
Die Ermahnung zur Sammlung ist das letzte Wort, das die Logik
dem Jünger der Wissenschaften mit auf den Weg gibt.
Zum Beschlusse
Wir durchschritten die geheimnisvollen Pfade, die der Geist beim
Denken der Wahrheit geht. Wir folgten ihnen durch die Außen-
werke des Geistes, die Sinnesempfindung, drangen bis zu den logi-
schen Grundsätzen vor, welche wieder auf Selbstsetzung und /
Selbstentgegensetzung zurückführen, bis wir zuletzt auf den
ersten Ursprung des Denkens der Wahrheit stießen, die Eingebung.
Nächst der Selbstsetzung und Selbstentgegensetzung ist es die
Eingebung, welche uns vor allem die Hoheit des Denkens verstehen
lehrt. In ihr sehen wir die Quellen der intelligiblen Welt fließen, sie
ist es, welche uns den übersinnlichen Ursprung des Denkens der
Wahrheit bezeugt; aus ihr verstehen wir die Einheit von Denken
und Sein, aus ihr mit einem Worte die G ö t t l i c h k e i t d e s
D e n k e n s d e r W a h r h e i t .
Die Eingebung ist nichts Geringeres als eine Erweckung der Ideen-
welt im Menschen. Und so erweist sich der Mensch als I d e e n -
f ü h r e r ! Der hohen Würde des Menschen entspricht die Hoheit
des Denkens.
Hiervon will nun unsere Zeit nichts wissen. Sie hält das für über-
schwenglich. Allein das Denken, so lehren Selbstsetzung, Selbstent-
gegensetzung und Eingebung übereinstimmend, ist kein Werk der
Naturkräfte und aus diesen niemals zu begreifen. Das Denken der
Wahrheit hat es an sich, auf die Ideenwelt, die Welt der göttlichen
Gedanken, zurückzugehen. Es wurzelt in jener Kraft des göttlichen
Geistes, aus welcher die Schöpfung entspringt und als ein Samen in
allen Dingen wohnt. Aus der so begriffenen Göttlichkeit des Den-
kens verstehen und besiegeln wir das sonst dunkle Wort Meister
Eckeharts
1
:
„Die Wahrheit ist gleichsam der Weg Gottes zum inneren Men-
schen. “
/
1
Meister Eckehart: Sermones de tempore, Die lateinischen Werke, Bd 4, hrsg.
von Ernst Benz, Stuttgart 1937, S. 75.