NACHWORT
von
Ulrich Schöndorfer
„Das Höchste wäre, zu begreifen,
daß alles Faktische schon Theorie ist.“
(Goethe: Maximen und Reflexionen, Nr. 156)
In seiner Studie über die Philosophie unseres Jahrhunderts stellte
1959 Fritz Heinemann fest: „Es sei das Schicksal der Philosophie im
20. Jahrhundert, ihren Boden zu verlieren und ihre Aufgabe, neu
Boden zu fassen“
1
. Damit ist die Lage der Philosophie unserer Zeit
richtig gekennzeichnet, unrichtig aber ist Heinemanns anschließende
Behauptung: „Alle Hauptversuche in der ersten Hälfte unseres Jahr-
hunderts waren mit diesem Versuch beschäftigt und alle scheiterten,
weil die von ihnen vorgeschlagene Basis jeweils zu s c h m a l war“
2
.
Das trifft für viele bedeutende Leistungen dieser Zeit n i c h t zu,
weder für Alfred North Whiteheads konstruktive Metaphysik, noch
für die grundlegenden Werke der kritischen Realisten, vor allem
aber nicht für das philosophische Werk Othmar S p a n n s , das
Heinemann nicht kannte, dessen Basis wahrlich umfassend und trag-
fähig war.
Sie hatte Spann bereits 1923 in seiner ganzheitlichen K a t e -
g o r i e n l e h r e geschaffen. Kategorien waren Spann nicht all-
gemeinste Verstandesbegriffe a priori, oder letzte Formen unseres
Denkens, sondern letzte Weisen des S e i n s . Die tragende Weise
oder Kategorie alles Seins sah er in der G a n z h e i t , der gestal-
tenden Mitte alles Seienden. Die Wirklichkeit erkannte Spann als
einen hierarchisch gegliederten Kosmos von Ganzheiten, dessen Ur-
sprung, Mitte und Gipfel Gott ist. Seine Kategorienlehre ist ein
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Die Philosophie im 20. Jahrhundert, herausgegeben von Fritz Heinemann,
Oxford — Stuttgart 1959, S. 288.
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Die Philosophie im 20. Jahrhundert, herausgegeben von Fritz Heinemann,
Oxford — Stuttgart 1959, S. 288,