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„Nû wizzent, in allen guoten liuten ist got alzemâle und ez ist ein etwaz in
der sêle, da got inne lebet und ist ein etwaz in der sêle, da diu sêle lebet in
gote, unde swenne sich diu sêle her ûz kêret ûf ûzerlîchiu dinc, so stirbet si
unde got der stirbet ouch der sele. . . . N û wizzent, ez ist ein kraft in der sêle,
diu ist wîter denne der wîte himel . . . Allez, daz diu verstentnisse begrîfen mac,
und allez, daz diu begerunge begern mac, daz ist got niht. Dâ diu verstentnisse
unde diu begerunge endet, da ist ez vinster, dâ liuhtet got.“
1
„ . .. daz fünkelîn der sêle, daz dâ ist geschaffen von gote und ist ein lieht,
oben în gedrücket, und ist ein bilde götlîcher nâtûre, daz dâ ist kriegende
allewege wider allem dem, daz niht götlich ist, . .. , und ist alle wege geneiget
ze guote; nochdenne in der helle dâ ist ez geneiget ze guote.“
2
Das Fünklein ist auch allein wahrhaft f r e i :
„Ich hân etwenne gesprochen, ez sî ein kraft in dem geiste, diu sî alleine
frî.“
3
Das Fünklein hat viele Namen, z. B. Kleidhaus Gottes, Seelen-
burg, Grund der Seele; es ist aber über allen Namen:
„Underwîlen hân ich gesprochen, ez sî ein hütte des geistes; underwîlen hân
ich gesprochen, ez si ein lieht des geistes; underwîlen..., ez sî ein fünkelin.
Ich spriche aber nû: ez enist weder diz noch daz. Nochdenne ist ez ein waz:
daz ist hoeher boben diz unt daz denne der himel ob der erden. Dar umbe
nenne ich ez nû in einer edelerr wîse denne ich ez ie genante,... Ez ist von
allen namen frî unde von allen formen blôz, ledig unde frî zemâle, als got
ledig unde frî ist in ime selber. Ez ist so gar ein und einvaltig, als got ein und
einvaltig ist, .. . Mühtent ir gemerken mit mînem herzen, ir verstüendent wol,
waz ich spriche, wan ez ist wâr unde diu wârheit sprichet ez :selbe.“
4
1
Pf. 256, 23: Wisset nun: In allen guten Menschen ist Gott ganz, und es gibt
ein Etwas in der Seele, worin Gott lebt, und es gibt ein Etwas in der Seele, wo
die Seele in Gott lebt. Wenn (aber) die Seele sich herauskehrt auf äußere Dinge,
so stirbt sie, und Gott stirbt auch für die Seele... Wisset nun, es ist eine Kraft
in der Seele, die ist weiter als der weite Himmel... Pf. 257, 4: Alles aber, was
das Erkennen zu begreifen und alles, was das Begehren zu begehren vermag, das
ist nicht Gott. Wo der Verstand und das Begehren enden, da ist es finster, da
(aber) l e u c h t e t Gott.
2
Pf. 113, 33: ... das Fünklein der Seele, das da von Gott geschaffen und ein
Licht ist, (ist) von oben her eingedrückt, und es ist ein Gebilde güttlicher Natur,
das überall all dem widerstreitet, das nicht göttlich ist. .. und ist stets geneigt
zum Guten; selbst noch in der Hülle ist es geneigt zum Guten.
3
Pf. 46, 3: Ich habe bisweilen gesagt, es sei eine Kraft im Geiste, die sei alleine
frei.
4
Pf. 46, 2 und 46, 20: Bisweilen habe ich gesagt, es sei eine Hut des Geistes;
bisweilen habe ich gesagt, es sei ein Licht des Geistes; bisweilen..., es sei ein
Fünklein. Nun aber sage ich: Es ist weder dies noch das. Dennoch ist es ein
Etwas, das ist erhabener über dies und das als der Himmel über der Erde. Darum
benenne ich es nun auf eine edlere Weise, als ich es je benannte... Es ist von
allen Namen frei und aller Formen bloß, ganz ledig und frei, wie Gott ledig
und frei ist in sich selbst. Es ist so vüllig eins und einfaltig, wie Gott eins und
einfaltig ist... Könntet ihr mit meinem Herzen erkennen, so verstündet ihr
wohl, was ich sage; denn es ist wahr, und die Wahrheit sagt es selbst.