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Z u s a t z ü b e r d a s V e r h ä l t n i s d e s E c k e h a r t i s c h e n B e -

g r i f f s g e b ä u d e s

z u

a n d e r e n

m y s t i s c h e n

P h i l o s o p h i e n

u n d z u d e n r e l i g i ö s e n K a t e g o r i e n .

Es scheint uns wichtig, das Verhältnis Eckeharts zu den anderen

mystischen Lehren noch näher zu bestimmen, zumal nicht selten

Eckeharten völlige Abhängigkeit vorgeworfen wird.

B e i P l a t o n , der allein als Mystiker vollständig verstanden werden kann,

wird das mystische Erlebnis ungleich mehr verschleiert als bei Eckehart. Es er-

scheint eigentlich nur in Bildern, die der Welt unverständlich sind, z. B. im

Höhlengleichnisse

1

. Allerdings trennt Platon den Nus (Geist, Vernunft) von den

übrigen Seelenteilen; er nennt ihn sogar den Steuermann der Seele, der allein das

wahrhaft Seiende (Gott) schaut“

2

, er nennt ihn auch den obersten Seelenteil —

aber jedermann wird zugeben, daß zum Begriffe des „Fünkleins“, wie ihn Mei-

ster Eckehart prägt, noch etwas fehlt, daher beide Begriffe nicht dieselbe system-

bestimmende Bedeutung haben können!

Bei A r i s t o t e l e s ist das Mystische noch weniger ersichtlich als bei Pla-

ton, aber man muß zugeben, daß in dem Aristotelischen Begriffe der „schaf-

fenden Vernunft“ (nus poietikós, von den Scholastikern „intellectus agens“

genannt) ein dem Fünklein eng verwandter Begriff vorliegt. Die schaffende

Vernunft steht in Gegensatz zur erleidenden Vernunft (dem nus pathetikós, dem

„intellectus possibilis“ der Scholastiker); er kommt von außen in die Seele

(„zur Türe herein“), das will sagen: unmittelbar von Gott. Man kann also diese

Verwandtschaft sehr eng ziehen — und doch ist Eckeharts Begriff des Fünkleins

noch etwas anderes! Bei Eckehart ist das Fünklein die Brücke zwischen Seele und

Gott, ferner die Wurzel aller Seelenkräfte. Daher hat es eine andere system-

bestimmende Rolle als bei Aristoteles, der die schaffende Vernunft ziemlich ab-

getrennt von allem anderen behandelt.

Auch in den altindischen U p a n i s c h a d e n (1. Jahrtausend vor Christus)

begegnet uns ähnliches, das aber doch wieder nicht dasselbe ist. In ihnen tritt

bekanntlich die Grundlehre der Einheit von Seele und Gott so sehr in den Vor-

dergrund, daß alles andere davon gleichsam aufgezehrt wird. „Tat tvam asi“, „das

bist du“, nämlich der Brahman (Gott, vornehmlich als Weltgeist genommen) und

die Seele (Atman, als Seelengrund genommen). In diesem Zusammenhange wird

der Begriff des Fünkleins als des obersten Seelenteils nicht einmal entwickelt.

Allerdings kommt dem andererseits die indische Seelenlehre sehr entgegen. Man

kann sagen, der Begriff des Fünkleins verstehe sich für die altindische Meta-

physik von selbst, da ihre Seelenlehre die Seelenteile, bildlich gesprochen, wie

Zwiebelschalen ineinander geschachtelt sein läßt und der innerste Teil eben

gerade derselbe göttliche Teil ist, der bei Aristoteles „schaffende Vernunft“, bei

Eckehart Seelengrund oder Fünklein heißt. So überaus nahe aber einander die

Begriffe hier kommen, wir finden doch nicht dieselbe Anwendung in den alten

Upanischaden wie bei Meister Eckehart. Auf die Anwendung der Begriffe kommt

es aber an, auf jene Feinheiten in der Fassung, welche ihnen erst eine bestimmte

systembestimmende Bedeutung verleihen.

1

Staat, 7. Buch.

2

Philebos, 30e; Phaidros, 247c.