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Darum begegnen wir auch derselben Lehrmeinung von der Mit-
geschaffenheit der Seele in der Schöpfungs- und in der Gotteslehre
Eckehartens wieder. Zum Beispiel:
„D1a got die sêle berüeret hât unde geschaffen unschöpflich, dâ ist diu sêle
als edel als got selber ist. . . Diu sêle hât ein vernünftic bekentlich wesen, dâ
von, swâ got i s t , d â i s t d i u s ê l e , u n d e s w â d i u s ê l e i s t , d â
i s t g o t.“
1
Viele Beispiele ließen sich noch für diese Begriffsbestimmungen
der M i t g e s c h a f f e n h e i t der Seele geben, welche eben das
„geschaffen unschöpflich“ in sich schließt, oder, anders gesagt: „sippe-
schaft göttlicher art“
2
. Eckehart fügt auch bezeichnenderweise hinzu:
„Hie hinken manige pfaffen an“
3
!
Lehrreich ist endlich auch der Vergleich mit P l a t o n , den Ecke-
hart an derselben Stelle folgen läßt. Platons Ideenwelt ist ihm „we-
der in Zeit noch in Ewigkeit“, also offenbar auch nach Art des Mit-
geschaffenen:
„Nû sprichet Plâtô der grôze pfaffe, ... Er sprichet von einer lûterkeit, diu
ist in der welt niht, si ist niht in der weit noch ûzer der welt, ez ist weder in
zit noch in êwikeit, ez hât ûzerlich noch innerlich.“
4
Hier bricht die Stelle leider ab. Aber lehrreich bleibt, wie Ecke-
hart die gleichzeitige Jenseitigkeit und Einwohnung, Göttlichkeit
und Weltwirksamkeit der Platonischen Ideen ausdrückt und damit
die Ideenlehre zweifellos richtig darstellt. Auch die Ideen haben ihm
eine ähnliche Mittlerstellung wie das Fünklein. Auch sie sind „eine
Lauterkeit“. — Nebenher ersehen wir aus dieser Stelle, daß Ecke-
hart gegen Aristoteles die gleichzeitige Jenseitigkeit u n d Ein-
wohnung der platonischen Ideen behauptet
5
.
1
Pf. 267, 7: Da Gott die Seele berührt hat und ungeschöpflich geschaffen, so
ist die Seele edel wie Gott selber. . . Die Seele ist ein vernünftig erkennendes
Wesen, daher, wo G o t t i s t , d a i s t d i e S e e l e u n d w o d i e S e e l e
i s t , d a i s t G o t t .
2
Pf. 261, 12: Verwandtschaft göttlicher Art.
3
Pf. 261, 13: Hier hinken manche Pfaffen nach.
4
Pf. 261, 21: Nun spricht Plato, der große Pfaffe... Er spricht von einer
Lauterkeit [nämlich: von den Ideen], die ist nicht in der Welt, sie ist weder in
der Welt noch außer ihr, weder in der Zeit noch in der Ewigkeit, weder äußer-
lich noch innerlich.
5
Über die E i n h e i t v o n G o t t u n d S e e l e als religionsphilosophi-
scher Kategorie — z. B. das altindische „Das (der Weltgrund) bist auch Du,
tat tvam asi“ — vgl. mein Buch: Religionsphilosophie, Wien 1947, S. 46 ff.
[2. Aufl., Graz 1970, S. 60 ff.].