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S e e l e s e i n , etwas, was dem Übersinnlichen „alsô sippe“ ist, daß
es fähig sei, es zu erfahren! So werden wir notwendig auf den Seelen-
Grund gewiesen — das „Fünklein“, welches allein zur Einheit mit
dem Übersinnlichen führt.
Nicht leere Erdichtung, sondern sichere innere Erfahrung und
dazu der größte Tiefblick des Denkens, dessen Geist und Herz fähig
sind, ist es, was sich in Eckeharts großer Lehre vom Fünklein be-
zeugt.
III.
Das Fünklein im Begriffszusammenhange der
Eckehartischen Philosophie
Je mehr man sich in die begriffliche Seite der Philosophie Ecke-
harts versenkt, umso mehr tritt die grundlegende Bedeutung seines
Begriffes des Seelengrundes hervor.
Alle Mystik kennt die göttliche Erleuchtung und Einigung der
Seele, aber keine sprach es so klar wie Eckehart aus, daß sie nicht in
der menschlichen Seele schlechthin, sondern nur in einem der Sinn-
lichkeit ebenso wie dem zerlegenden Denken entrückten Teile der
Seele stattfinden könne. Meister Eckehart bestimmte ihn mit durch-
dringendem Blicke als Seeleng r u n d und damit zugleich als W u r -
z e 1 der Seelenkräfte; und nach der anderen, der metaphysischen
Seite hin war die Bestimmung als „ K 1 e i d h a u s G o t t e s “, als
die Berührungsstätte von Seele und Gott, schon von selbst gegeben.
Als mit Lichterlebnissen verbunden, nannte er diesen Grund der
Seele auch „Fünklein“ — ein Name, der übrigens mit u r a l t e n
m y s t i s c h e n V o r s t e l l u n g e n verbunden sein könnte, wo-
nach die Seele als ein Funke des göttlichen Urfeuers zu gelten hätte
1
.
(Sollte Meister Eckehart auch andere als nur die schriftlichen Über-
lieferungen der Neuplatoniker und des Dionysios Areopagita ge-
kannt haben?)
A. Daß der Begriff des Seelengrundes als Wurzel aller Seelen-
kräfte eine neue Grundlegung der S e e l e n l e h r e , damit aber
auch der E r k e n n t n i s l e h r e bedeute, liegt am Tage und wird
sich später zeigen. Eine deutliche Stelle hierüber findet sich z. B. in
der auch sonst bedeutsamen Predigt 87 bei Pfeiffer:
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Vgl. die Belege dazu in meinem Buch: Religionsphilosophie, Wien 1947,
S. 116 f. [2. Aufl., Graz 1970, S. 132 f.].