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Wie ersichtlich, suchte man die himmlischen Einflüsse nach dem
Grundsatze der E n t s p r e c h u n g e n zu verstehen: Sterne und
Gold entsprechen einander (sonst auch: Sonne und Gold). Und ganz
im allgemeinen entspricht dem Himmel die Belebung, das ist die Be-
fruchtung der Erde — bekanntlich eine uralte Vorstellung:
„Diu erde mac dem himele niht enpfliehen: si fliehe ûf oder nider, der himel
fliuzet in si, unde trücket sîne mäht in sî unde machet si fruhtbêr, ez sî ir lieb
oder leit.“
1
Der Grundsatz der Entsprechung ist demnach ein Schlüsselbegriff
der alten und mittelalterlichen Naturanschauung. Er folgt einfach
aus der Vorstellung, daß schöpferische Kräfte in der Natur wirksam
seien. Das heißt dann so viel wie: Jedes Wirkende wirkt sein Glei-
ches; die Wirkung, auf die niedere Ebene ausgeübt, heißt: Gleiches
anderer Ebene, Entsprechung.
Bekanntlich herrscht in allen alten Mystiken der Grundsatz der
Entsprechungen, so besonders in der altchinesischen und altindischen
Mystik.
Im e i n z e l n e n stellte sich Meister Eckehart die obere Natur-
welt ganz so vor wie auch sonst seine Zeit, welche darin wieder dem
Altertume folgte:
„Die meister sprechent, daz unden an dem himel ist viur vil wît und sunder
mittel und kreftic in sîner hitze, und doch enwirt der himel von im nihtes niht
berüeret alzemâle.“
2
„Dennoch daz fiur, swie hôch ez si an sîner oberster stat, ez enrüeret doch
den himel niht.“
3
„Ein meister sprichet: der himel hat kein lieht, er ist ze hôch dar zuo, er
liuhtet niht, er ist noch kalt noch warm in ime selber.“
4
Geschichte der deutschen Mystik, in: Collectanea Friburgensia Fase. IV, Freiburg
in der Schweiz 1895, No. 15; 10, 3.
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Pf. 287, 34: Die Erde kann dem Himmel nicht entfliehen: sie fliehe hinauf
oder hinunter, der Himmel fließt (doch) in sie und drückt seine Macht in sie
und befruchtet sie, es sei ihr lieb oder leid.
2
Q V 19, 17: Die Meister sagen, daß unmittelbar unterhalb des Himmels
weit ausgedehntes und in seiner Hitze kraftvolles Feuer (das Empyreum der
Alten) sei, durch nichts genährt (das heißt es ist kein irdisches Feuer, es brennt
nicht ein bestimmter Gegenstand), und doch wird der Himmel von ihm ganz
und gar nicht berührt.
3
Pf. 81, 18: Selbst das Feuer, so hoch es an seiner obersten Statt sein mag,
berührt doch den Himmel nicht.
4
Pf. 317, 4: Ein Meister sagt: Der Himmel hat kein Licht, er ist zu hoch
dazu; er leuchtet nicht, er ist weder kalt noch warm in sich.