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Der Selbstverständlichkeit und Unwiderleglichkeit dieser lehre

gemäß faßt denn auch Eckehart seine Verteidigung kurz und mar-

kig. Er sagt:

„Wenn es heißt: ,Alle Kreaturen sind (für sich) ein bloßes Nichts' usw., so ist

zu sagen, daß dies eine reine, fromme und nützliche Wahrheit ist, wohl tauglich

zur Verachtung der Welt, zur Liebe Gottes und Gottes allein zu führen. Das

Gegenteil zu meinen, ist ein Irrtum des unerfahrenen Menschen . . .“

1

Aus dieser einfachen Antwort lernen wir wieder, wie wenig Mühe

sich Eckehart nahm, seine Sätze bei dieser Gelegenheit von Grund

auf zu entwickeln und ihren unwiderleglichen Sinn näher zu erklä-

ren. Er macht denn auch in seiner Verteidigung aus seiner, leider so

berechtigten, Geringschätzung seiner Gegner kein Hehl. Z. B. sagt

er bald darauf:

„Der Irrtum der Gegner liegt darin, daß sie alles, was sie nicht verstehen, für

verkehrt halten und wiederum das Verkehrte für eine Ketzerei.. .“

2

Eckehart erklärt mit Recht die Angriffe auf seine Lehre als „ein

Zeugnis für die Geistesbeschränktheit oder auch Bosheit der Geg-

ner . . .“

3

.

Dieses Nichtsein der Naturdinge (an sich genommen) ist es, was

ihre Nichtigkeit bedeutet. Dieselbe Nichtigkeit der Kreatur im Ver-

gleiche zur S e e l e trat schon in der Schöpfungslehre hervor: die

Naturdinge stellen nur jeweils e i n e Idee vor, sie sind „Fußstapfen“

Gottes, die Seele ist der Inbegriff aller, sie vermag die Natur zu

d e n k e n , sie ist das Ebenbild Gottes. Daher:

„.. . diu wollust der krêatûren ist gemenget mit bitterkeit.“

4

„.. . alle crêatûre tragent inne bitterkeit.“

5

„Got hât alliu dinc gemeinlich gemachet nâch dem bilde, da er alliu dinge in

ime hât, . . . Aber die sêle hat er . . . gemachet nâch ime selber, jâ nâ allem

dem, daz er ist, .. .“

8

.

1

Otto Karrer und Herma Piesch: Meister Eckeharts Rechtfertigungsschrift:

vom Jahre 1326, Einleitungen, Übersetzung und Anmerkungen, Erfurt 1927,

S. 98.

2

Otto Karrer und Herma Piesch: Meister Eckeharts Rechtfertigungsschrift

vom Jahre 1326, Einleitungen, Übersetzung und Anmerkungen, Erfurt 1927,

S. 99.

3

Otto Karrer und Herma Piesch: Meister Eckeharts Rechtfertigungsschrift

vom Jahre 1326, Einleitungen, Übersetzung und Anmerkungen, Erfurt 1927,

S. 101.

4

Pf. 374, 7: Die Wollust der Geschöpfe ist mit Bitterkeit vermischt.

5

Pf. 300, 20: Alle Kreaturen tragen Bitterkeit in sich.

6

Pf. 305, 17: Gott hat alle Dinge gemeinhin nach dem Bilde (der Idee), nach

welcher er die Dinge in sich hat, gemacht.

Aber die Seele hat er sich selber nachgebildet, ja, in allem nach dem, was er ist.