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137

Dagegen:

„Ehe alle Kreaturen geschaffen wurden, waren sie in Gotte Gott.“

1

. . weil alles in Gott Gott selbst ist“

2

.

„ . . . das Sein selbst, Gott, kehrt sich seinerseits nicht von jemandem ab noch

stößt er ihn von sich, sondern jeder wird selbst verstoßen, jeder stößt selbst das

[göttliche] Sein von sich, der von irgend einem Sein abfällt auf irgendeine Weise.“

3

Das kann nichts anderes heißen als: das Böse verliert an Sein,

schrumpft an Sein zusammen. Wie wohl überhaupt eine Begrün-

dung des Lehrbegriffes des Abfalls nur in der Lehre Eckeharts vom

Bösen zu suchen sein dürfte. Ganz allgemein aber gilt:

„Alles was Gott nicht ist, hat in ihm selber natürliche Bitterkeit.. ,“

4

ein Wort, das wieder im mystischen Erlebnisse des vollkommenen

Seins, verglichen mit dem des Unvollkommenen der äußeren Er-

fahrung, wurzelt.

Allgemein weist die Lehre vom Abfalle auf den Lehrbegriff des

B ö s e n hin. Wir werden ihm in der Sittenlehre begegnen. Hier

nur noch so viel, daß Eckehart auch den G e g e n b e g r i f f d e s

A b f a l l s , die Erneuerung und Verjüngung in Gott, kennt:

„Alles wird neu, gut, rein, lauter und heilig, indem es sich Gott zukehrt, sich

ihm nähert, zu ihm zurückeilt und zurückkehrt und ihm sich zuwendet.“

5

Hiermit sind wir bei dem wichtigsten Teile der Naturphiloso-

phie Eckeharts angelangt, bei dem Zuge der Wesen zu Gott.

B. Der Zug der N a t u r z u G o t t . A u s i h m e n t f a l t e n

s i c h e r s t d i e E i g e n s c h a f t e n d e r D i n g e

Meister Eckehart lehrt wie einerseits den Mangel und die Un-

vollkommenheit der Natur, so andererseits ihr Streben zu Gott.

Dies letztere ist neuplatonisch. Eckehart geht aber noch einen Schritt

weiter: er leitet daraus das gesamte Naturleben ab. (Auch hier wie-

der der grundsätzliche Unterschied zur neuzeitlichen Naturwissen-

schaft. Nach dieser hat alles Geschehen — denn „Leben" kann man

nicht sagen — in einem „Energiegefälle“ seinen Grund: das Warme

1

Philipp Strauch: Paradisus anime intelligentis, in: Deutsche Texte des Mittel-

alters, Bd XXX, Berlin 1919, Predigt 7, S. 384, 20.

2

B 72.

3

B 149.

4

Zitiert nach B 153.

5

B 149.