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— also ebenso wie der Stein fällt und der Himmel läuft! Eckehart
führt sodann das Wort Christi an
„. .. gânt die wîle ir daz lieht habent.“
1
und fügt hinzu:
„Wan der da würket in dem liehte, der gât ûf in got frî unde blôz alles
mittels: sîn lieht ist sin gewerbe unde sîn gewerbe ist sin lieht.“
2
Sein Gewerbe, sein Wirken ist sein Licht, darin bildet er sich zu
immer reinerer Weisheit! — Welche Erleuchtung im Gegensatze zum
heutigen Zeitalter, welchem die Arbeit nichts als eine Plage ist!
Daraus ist es sonnenklar, warum Eckehart keinerlei Q u i e -
t i s m u s lehren konnte, welcher sonst die Gefahr der Mystiker ist.
Nicht Weltflucht, sondern „durch die Welt hindurch“ mußte nun
Eckeharts Grundsatz sein. Da jede Kreatur ihre Eigenschaften erst
im Jagen und Eilen nach Gott entfaltet, muß dies auch für den
Menschen gelten!
Es gibt nur einen Zweck des Menschen wie der Natur: zu Gott
zu kommen. Das wird nicht erreicht durch Nichtstun, sondern durch
Tun. Daraus allein entspringen alle Eigenschaften der Dinge, und
daraus allein auch alle Kräfte der Menschen. Erst der in seinen gei-
stigen Kräften entfaltete Mensch kann zu seiner inneren Mitte fin-
den und die Geburt Gottes in der Seele erlangen.
Wir nahmen hier das Wesentlichste der Sittenlehre Eckeharts be-
reits vorweg, um die Einheit mit der Naturphilosophie zu zeigen.
Der heutige Mensch, der die Natur tot und mechanistisch sieht, steht
mit Staunen vor der wunderbaren Einheit, in welcher die alte Welt
Naturleben, Menschenleben und göttliche Ideenwelt sah.
IV.
Ergebnis
A. R ü c k b l i c k
Nehmen wir alles in allem, so haben wir die Ernte der Natur-
philosophie Eckeharts in der mystischen Erkenntnis, daß Gott allen
Dingen gleich nahe sei; und in der anderen, daß in dieser Gottdurch-
1
Pf. 49, 39: ,Gehet (voran), solange ihr das Licht habt' (Joh. 12, 35).
2
Pf. 49, 40: Denn wer da im Licht wirkt, der steigt hinauf zu Gott, frei und
ledig alles Vermittelnden: sein Licht ist sein „Gewerbe“, und sein „Gewerbe“ ist
sein Licht.