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Den göttlichen Lebens- und Liebeshauch in Natur und Menschen-

brust besingen unzählige Lieder, wie sie seit der Minnesängerzeit

jeder kennt. Hier bedarf es nicht der Romantischen Dichter als

Zeugen, aber sie sprechen zu Herzen wie wenige andere:

Frühlingsglaube

Die linden Lüfte sind erwacht,

Sie säuseln und weben Tag und Nacht,

Sie schaffen an allen Enden.

O frischer Duft, o neuer Klang!

Nun, armes Herze, sei nicht bang!

Nun muß sich alles, alles wenden . .

1

Im Frühling

Hier lieg’ ich auf dem Frühlingshügel:

Die Wolke wird mein Flügel,

Ein Vogel fliegt mir voraus.

Ach, sag mir alleinzige Liebe,

Wo du bleibst, daß ich bei dir bliebe!

Doch du und die Lüfte, ihr habt kein Haus

2

.

Je echter die Poesie, desto tiefer dringt sie in die Wahrheit ihres

Gegenstandes ein. Und so alle hohe Kunst. Darum sagen uns Musik

und Malerei, wenn sie die Natur zum Gegenstande haben, dasselbe

wie die Dichtung. Die Kunst kann nicht anders als die Natur mit

Lust und Andacht betrachten. Sie führt so auf den Gedanken Ecke-

harts hin, Gott sei auf dem Grunde der Natur wie des Menschen.

In ihrer Allgemeinheit gefaßt, war diese Naturauffassung nicht nur

aller Mystik und metaphysischen Philosophie gemein, die gesamte

alte Welt besaß sie als ein selbstverständliches Gut, denn ihr war,

wie Thaies sagte, „alles mit Göttern erfüllt“.

C.

M e n s c h e n w e n d i g k e i t u n d G o t t w e n d i g k e i t

d e r N a t u r

Eckehart führt seinen Lehrbegriff der Natur in den uns überlie-

ferten Schriften nirgends näher aus, aber die Folgerungen daraus

lassen sich unschwer ziehen, denn alle Vordersätze sind klar ent-

wickelt. Wir sehen in Eckeharts Lehrbegriff der Natur folgende

1

Ludwig Uhland.

2

Eduard Mörike.