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drungenheit der Dinge sowie in ihrem Jagen nach Gott, worin sie
ihre Eigenschaften erst entfalten, die Gemeinschaft des Menschen
mit der Natur zuletzt allein gegründet sei. In dem früher angeführ-
ten Beispiele Eckeharts, wonach kein Dürstender einen Trunk be-
gehrte, wäre nicht ein Tropfen Gottes darin, finden wir beide
Grundgedanken mit einleuchtender Klarheit ausgesprochen.
Im einzelnen folgen daraus von selbst die Erkenntnisse: des Stu-
fenbaues der Natur, in der es demnach ein Oben und Unten, eine
R a n g o r d n u n g von höher und niedriger gibt; ferner der Ge-
ordnetheit der Naturwesen nach E n t s p r e c h u n g e n ; sowie
des Durchdrungenseins der gesamten Natur von S c h ö p f e r i -
s c h e n E i n f l ü s s e n , die von den höheren zu den niedrigeren
Wesen hinabgehen, daher beim höchsten Wesen, Gott, beginnen. An
sich sind alle Naturwesen nichtig. Sie sind nur „Fußstapfen“ Gottes,
die Seele aber ist Gottes Ebenbild, göttlich von Gnade. Hier stoßen
wir wieder auf die Lehre vom Fünklein, welches gleichsam („quasi“,
„quomodo“) göttlich ist, göttlich von Gnade.
Endlich sucht Eckehart von da aus auch den Sinn und die Welt-
stellung der Natur aus ihrem Drängen und Jagen nach Gott zu
verstehen. Die Natur offenbart Gott. Sie ist aus der Liebe und
Selbstmitteilsamkeit Gottes zu verstehen, aber darüber hinaus gilt
ihm der Satz:
„Gottes Ausgang ist sein Eingang.“ „Sowie alle Dinge als ein Licht (Gottes)
gewiesen sind, auszufließen, also sind sie auch alle ein Licht wieder heimzu-
kommen.“
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Die Wahrheit aller dieser Gedanken wird durch sie selbst, durch
ihr unmittelbares Einleuchten bestätigt. Sie wird aber auch durch
ihre grundsätzliche Einstellung mit der Mystik aller Zeiten und Völ-
ker gestützt (worüber später mehr). Fragt man, wieso dennoch die
mechanistische Auffassung in der Geschichte siegen und diese große
Wahrheit geradezu in Vergessenheit geraten konnte, so lautet die
Antwort: Weil das mechanistische Verfahren in den praktischen Er-
gebnissen überlegen war. Es läßt ausschließlich die äußere Erfahrung,
in der Form von Versuch und Sammlung von Tatsachen, „Induk-
tion“ genannt, gelten. Und da dem Menschen ein volles Eindringen
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Philipp Strauch: Paradisus anime intelligenttis, in: Deutsche Texte des Mit-
telalters, Bd XXX, Berlin 1919, S. 127.