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Gedanken enthalten, die nur für sich entfaltet werden müssen, um

als eigentümliches Lehrgut Eckeharts erkannt zu werden.

Insoferne die Natur ein Inbegriff von Entsprechungen der Seele

ist, indem die Natur ja zuletzt durch die Seele geschaffen erscheint,

ist sie, wie wir es ausdrücken dürfen, g r u n d s ä t z l i c h

m e n s c h e n w e n d i g . Der Mensch ist grundsätzlich die Mitte

der Natur, die Natur ihm dienstbar. Freilich (so dürfen wir in Ecke-

harts Sinne weiter schließen) ist der gefallene Mensch und die in

diesen Fall mitgerissene Natur miteinander im Zwiespalt, aber der

mystisch erleuchtete Mensch erhebt sich wieder über diesen Zwie-

spalt. Wir finden darüber eine bedeutsame Stelle in der 57. Predigt

bei Pfeiffer:

„Die meister habent eine vrâge, waz daz meine, so got die sêle erhebe über

sich selber und über alle crêatûre und er sî heim gefüeret in sich selber, war

u m b e e n e d e l t e r d e n n e d e n l î p n i h t , d a z e r i r d e n i s c h e r

d i n g e n i h t b e d ö r f t e ? Diz berihtet ein meister — und ich wêne, ez sîsant

Augustinus — unde sprichet alsô: wenne diu sêle kumet zuo der götlîchen

einunge, denne aller erst ist der lîp volkomenlich dar zuo körnen, daz er

a l l i u d i n c n i e z e n m a c z e gotes êren. Wan durch den menschen sint

alle crêatûre ûz geflozzen, unde waz der lîp redeliche der crêatûren geniezen

mac, daz ist der sêle niht ein abeval, mêr: ez ist ein zuovluz ir wirdekeit, wan

diu crêatûre enmühte edelern widerfluz niht vinden, in ir ursprunc wider ze

komenne, denne in dem gerehten menschen, der ie einen ougenblik sîner sêle

gestatte, daz er ûf gezogen wart in gütlicher einunge. Wan zwischen gote unde

der sêle ist denne dekein hindernüsse, und also verre diu sêle gote volget in die

wüestenunge der gotheit, alsô verre volget der lîp . . ., und als diu sêle vereinet

ist mit der gotheit, also ist der lîp vereinet mit würkunge gewêrer tugende in

Kristo.“

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Pf. 182, 40: Die Meister haben eine Frage, was das bedeute, da Gott die

S e e l e über sich selber und über alle Kreaturen erhebe und zu sich heimführe

(in den güttlichen Seelengrund), w a r u m e r d e n n d e n L e i b n i c h t

( s o ) v e r e d e l e , d a ß e r i r d i s c h e r D i n g e e n t r a t e n k ü n n e . —

Dies beantwortet ein Meister — und ich glaube, es ist Sankt Augustinus — und

spricht folgendermaßen: Wenn die Seele zur Vereinigung mit Gott kommt,

dann erst ist der Leib vollkommen in der Lage, alle Dinge (der Welt) zu Gottes

Ehre zu gebrauchen. Denn alles Kreatürliche ist durch den Menschen in die

Welt gekommen, und was der Leib davon auf redliche Weise (gottgetreue Weise)

zu genießen vermag, gereicht der Seele nicht zum Nachteil, sondern das erhüht

ihre Würdigkeit; und die Kreaturen künnten keinen edleren Heimweg, zu ihrem

Ursprung zu gelangen, finden als den über den gerechten Menschen, der seiner

Seele gestattet, wenn auch nur auf einen einzigen Augenblick, sich zur Vereini-

gung mit Gott empor zu schwingen. Denn zwischen Gott und der Seele ist dann

kein Hindernis; und insoferne die Seele Gott in die ,Wüste der Gottheit' folgt,

insoferne folgt (ihr) der Leib ... Und da die Seele mit der Gottheit vereint ist,

so ist der Leib, der wahrhafte Tugend übt, mit Christus vereint.